Grüne Demut

Wahlkampf Sie haben Visionen wie „Tempelhof als Kulturhafen“ – in der Machtfrage zeigen sich die Grünen bei ihrer Fraktionsklausur eher defensiv

Kapek sagt ein Umsteuern zu, „sollten wir jemals Teil einer Berliner Landesregierung sein“

Es geht um Kultur, um einen neuen Ansatz der freien Szene gegenüber, als Fraktionschefin Antje Kapek den vielleicht entscheidenden Satz in jenem Tagungsraum sagt, in dem die Grünen-Abgeordneten bei ihrer bis Samstag dauernden Sommerklausur zusammensitzen. Kapek sagt ein Umsteuern zu, „sollten wir jemals Teil einer Berliner Landesregierung sein“. Sollten. Jemals. Kein „wenn wir ab nächsten Herbst mitregieren“ oder Ähnliches, was echten Optimismus ausdrücken würde. Auch Kapeks Kochefin Ramona Pop hatte jüngst im taz-Interview eine eher demütige Herangehensweise skizziert. Bei der Klausurtagung vor der vergangenen Wahl 2011 lagen die Grünen bei 30 Prozent. Die Frage schien nur noch, wer wo was wird – am Ende blieb wieder nur die Opposition.

In Groß Behnitz sitzen sie zusammen, in einem restaurierten Gutshof nicht weit von Nauen, wo die Fraktionsspitze und einzelne Abgeordnete zuvor an der abgefackelten geplanten Flüchtlingsunterkunft mit dem Bürgermeister und örtlichen Aktiven gesprochen haben. Papiere zu einer besser strukturierten Kulturförderung werden bei der Klausur vorgelegt, bei der es trotz eines deutlichen Zuschlags für die Senatsverwaltung für Kultur im Haushaltsentwurf hakt – aus Sicht der Kulturschaffenden, die Gast bei der Tagung sind.

Viele kleinere Maßnahmen zu einer grüneren Stadt haben die Abgeordneten zudem formuliert: Die Tram 10 etwa wollen sie vom Hauptbahnhof bis zur Turmstraße verlängern, auch neue Radverbindungen einrichten, teils als Schnellwege. Das alles klingt durchdacht, aber eben nicht so, als ob sie wirklich überzeugt wären, dass sie es ab Herbst 2016 umsetzen können.

Zu gut wissen auch sie, dass viele in der SPD statt Rot-Grün die rot-rote Koalition wieder beleben wollen. Sich nun an die Sozis ranzuwanzen, wie es 2011 in der Schlussphase des Wahlkampfs 2011 die damalige Spitzenkandidatin Renate Künast tat, soll auch nicht passieren. Da würden wir uns doch unglaubwürdig machen, heißt es. Es bleibt den Grünen kaum anderes, als selbst möglich stark abzuschneiden und darauf zu hoffen, dass es von den Prozenten her nicht für Rot-Rot reicht.

So bleibt es bei Hoffnungen und Visionen wie der Idee, aus dem Tempelhofer Exflughafengebäude einen „Kulturhafen“ zu machen. Für Fraktionschefin Kapek ginge das auch parallel zu einer möglichen Nutzung als Flüchtlingsheim.

Der als Experte geladene Sprecher der Koalition der Freien Szene, Christophe Knoch, zeigt sich allerdings skeptisch gegenüber dieser Kulturhafen-Idee – ein solches Riesenprojekt ziehe aus seiner Sicht wieder Aufmerksamkeit und Geld von kleinen Einrichtungen ab.

Ein Szenario sind auch noch die Grünen-Vorstellungen von dem „Zukunftslabor“, als das sie das Nochflughafengelände Tegel betrachten. 5.000 Wohnungen würden sie dort bauen wollen. Aber eben nicht als reines Wohnquartier ohne die nötige Infrastruktur, wie sie es bei der SPD sehen, sondern als Mischung aus Wohnen, Leben und Arbeiten.

So würden sie es jedenfalls machen wollen, die Grünen. Falls sie denn mitregieren sollten. Jemals. Stefan Alberti