Maritime Wirtschaft will Geld: Saubere Schiffe mit Staatsknete
Maritime Verbände fordern millionenschwere Subventionen für den Umstieg auf umweltfreundlichen Treibstoff. Flüssiggas sei ökologisch, aber zu teuer.
HAMBURG taz | Lang ist er, der Wunschkatalog der maritimen Wirtschaft, und teuer obendrein. 15 Millionen Euro pro Schiff solle die Bundesregierung zuschießen, damit Reeder den umweltfreundlichen Treibstoff Flüssigerdgas (LNG) einsetzen.
„Ohne ein breites Förderprogramm für den Um- und Neubau LNG-betriebener Schiffe werden sich die Barrieren für den Markteintritt nicht abbauen lassen“, formuliert im schönsten Ökonomendeutsch Ralf Nagel, Geschäftsführer des Verbands deutscher Reeder (VDR) in Hamburg. Denn Schiffe, die mit Flüssiggas fahren können, seien wegen spezieller Motoren und neuartiger Technik bis zu 25 Prozent teurer, so Nagel.
Und deshalb stellen sich der VDR, der Verband für Schiffbau und Meerestechnik, der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe, der Zentralverband Deutscher Schiffsmakler und die Maritime LNG-Plattform in einem am Donnerstag vorgestellten gemeinsamen Papier drei Instrumente vor: eine Innovationsoffensive, ein Förderprogramm für die Ausrüstung von Schiffen mit LNG-Antrieb sowie einheitliche rechtliche Standards in den Häfen.
Kreuzfahrtreederei als Vorreiter
Flüssigerdgas oder LNG (für englisch liquified natural gas) ist durch Abkühlung auf −164 bis −161° Celsius verflüssigtes Erdgas. LNG weist etwa ein 600stel des Volumens von Erdgas in Gasform auf.
Besonders in der Schifffahrt nimmt die Bedeutung der direkten Nutzung von LNG als Kraftstoff zum Antrieb von Verbrennungsmotoren zu. Hierfür sind jedoch Bunkerstationen in den Häfen erforderlich, in denen LNG zur Verfügung steht.
LNG emittiert im Vergleich zum bislang üblichen Schiffsdiesel bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide, 30 Prozent weniger Kohlendioxid sowie kaum Feinstaub und Schwefeldioxid. Allerdings setzt es deutlich mehr klimaschädliches Methan frei.
LNG habe „großes Potenzial, um die Belastung durch Schwefel, Feinstäube und Stickoxide in küstennahen Regionen und Hafenstädten deutlich zu senken“, sagte Georg Ehrmann, Geschäftsführer der Maritimen LNG Plattform, einem branchenübergreifenden Bündnis von mehr als 70 nationalen und internationalen Unternehmen, Verbänden und Häfen.
Die Nutzung von LNG biete „nicht nur höheren Umweltschutz, sondern große Chancen für zusätzliche Wertschöpfung und hochwertige Arbeitsplätze“. Die Mehrkosten ließen sich dennoch im Schiffsbetrieb nicht refinanzieren, so Nagel: „An diesem harten wirtschaftlichen Fakt kommen wir nicht vorbei.“
Allerdings hatte Deutschlands größte Kreuzfahrtreederei Aida kürzlich angekündigt, die weltweit ersten Luxusliner mit LNG-Antrieb zum Stückpreis von gut 500 Millionen Euro bei der Meyer-Werft im emsländischen Papenburg bauen zu lassen. Aida-Umweltdirektorin Monika Griefahn sieht ihre Reederei mit diesem „Green-Cruising-Konzept“ als Vorreiter in der Branche. Schließlich lebe der Kreuzfahrttourismus „von sauberer Umwelt und sauberen Meeren“.
Lob dafür bekam sie sogar vom Naturschutzbund (Nabu). „Unser jahrelanger Einsatz für saubere Schiffe zeigt Wirkung“, sagt Nabu-Schifffahrtsexperte Malte Siegert. „Die LNG-Schiffe sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“ Dadurch würde die gesamte Branche unter Druck gesetzt, sich stärker im Umweltschutz zu engagieren, hofft er.
LNG-Tankstellen lohnen sich nicht immer
Seit Mitte Juni verkehrt bereits die erste Flüssiggas-Fähre auf der Nordsee. Die „Ostfriesland“ pendelt zwischen Emden und Borkum. Fähren eignen sich besonders gut für LNG, weil sie immer denselben Weg fahren und deshalb in beiden Häfen betankt werden können. Denn ein Problem ist die Versorgung. LNG-Tankstellen lohnen sich erst bei hoher Nachfrage, sagen die Energiekonzerne.
Außerdem stellt der neue Treibstoff Behörden vor neue Probleme: An den Genehmigungsverfahren sind bis zu 23 amtliche Stellen beteiligt, was die Prozedur in die Länge zieht. Notwendig seien deshalb beschleunigte Zulassungsverfahren nach einem festen Muster, fordert die LNG-Plattform. Zudem solle die öffentliche Hand, die rund 700 Schiffe betreibe, verstärkt in LNG-Schiffe investieren, zum Beispiel bei Zollschiffen und der Wasserschutzpolizei.
„Das Betanken von LNG-Schiffen muss auch in deutschen Häfen selbstverständlich werden“, fordert Alexander Geisler, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Schiffsmakler. „Dafür brauchen wir einheitliche Standards in den Seehäfen für den Umgang mit LNG.“
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