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Berliner SzenenIm Kino

Ferne Bilder

Die Notausgangschilder leuchten, genau wie im Flugzeug

Es ist dunkel. Nicht so dunkel, dass man nichts sehen könnte, aber immerhin so, dass die Ersten stolpern, als sie hereinkommen. Ein Fluch, ein Kichern, dann setzen sie sich. Ein Pärchen.

Er hält ihre Hand, aber sie macht sich los, muss noch mal raus. Als sie wiederkommt, sind sie nicht mehr die Einzigen im Raum. Ganz hinten hat sich eine Mädchengruppe niedergelassen. Hühner auf der Stange, die am Rand beugen sich zur Mitte hin, um auch ja nichts zu verpassen.„Und dann hat er gesagt …“ – „Nein, nicht wirklich?“ – „Oh mein Gott!“ Je mehr Leute hereinkommen, desto strenger wird auch der Geruch. Zucker, Käse und Bier vermengen sich zu einer süßlichen Wolke, die über den Sitzenden schwebt. Die Gespräche werden immer lauter. Auch das Pärchen muss jetzt nicht mehr flüstern, neben den älteren Damen, die offensichtlich lange nicht mehr hier waren. Die Musik verstummt.

War das Lied zu Ende oder wurde es unterbrochen? Hat überhaupt jemand zugehört? Aber auch wenn sie es nicht getan haben, irgendwie bekommen doch alle die Stille mit, die sich nun unter ihrem Geschnatter wie eine Falltür öffnet und mit ins Nichts zieht. Einer nach dem anderen wird stumm, die Gespräche verebben. Ein Räuspern nimmt den Platz im Raum ein. Ein letztes In-der-Tasche-Wühlen, ein rasches „Shit, mein Handy!“, dann ist es fast ganz still. Fast. Vorne ertönt jetzt mechanisches Surren. Das Licht erlischt. Jetzt leuchten nur noch die grün-weißen Notausgangsschilder und Lichterketten am Boden. Wie im Flugzeug. Für eine Sekunde scheint der Saal den Atem anzuhalten. Es könnte auch eine Höhle sein, in der sie sitzen. Alle in dieselbe Richtung schauend, alle gespannt wartend auf Dinge, die heute vorbeigetragen werden. Dann erhellt sich die Leinwand, ferne Bilder füllen die Dunkelheit.

Dana Steglich

Links lesen, Rechts bekämpfen

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