Was von der Blase übrig blieb

KAPITALISMUS In „California City“ durchstreift ein einsamer Kammerjäger einen Stadt gewordenen Traum, den seine Bewohner längst verlassen haben

Zweifelt zunehmend an seiner Mission: Moskito-Bekämpfer (Jay Lewis) in der kalifornischen Wüste Foto: Real Fiction

Als es mit allem bergab ging, ging es mit seinem Job bergauf: Er fährt los, wenn die in der Zentrale wieder irgendwo Wasser entdeckt haben: Insekten können drin brüten, auch solche, die Blut saugen und Krankheiten übertragen. Dagegen, erzählt der Namenlose irgendwann, hilft nur, die Larven zu töten, ehe sie schlüpfen. Also sprüht er Gift in Pfützen und Rinnsale und immer wieder: Swimmingpools, in denen wohl nie mehr irgendwer schwimmen wird. Die Bewohner sind weg, ihre Häuser gehören, tja, einer Bank vielleicht.

Dies ist nicht, was, sagen wir: vom Manchester-Kapitalismus übrig blieb. Hier ragen keine überflüssig gewordenen Backsteintürme in die Höhe, vom Ruß geschwärzt. Nein, in „California City“ liegen die Häuser mehr da, als dass sie stehen, wie ausgebreitet in der Sonne bleichend; die Besitzer, die nie ihre Eigentümer waren, sind geflohen, als ihre „Nina loans“ platzten: Kredite, vergeben an Leute mit „no income, no assets“, ohne Einkommen oder Sicherheiten.

Der allerjüngste Immobilienblasenhype ist dabei nur das vorerst letzte Kapitel: California City, „ein Name wie ein Versprechen“, wie der Regisseur sagt, sollte Ende der 1950er-Jahre eine große Stadt werden, die größte Kaliforniens, so schwebte es ihrem Gründer vor, immerhin einem Soziologen. Heute leben dort ein paar Leute, die auf einer nahen Air-Force-Basis arbeiten; Straßen, die nirgendwo hin führen, dienen manchmal für illegale Autorennen.

So dicht, wie hier das Versprechen des amerikanischen Traums und die Desillusionierung beieinander liegen, ist California City eine denkbar gute Kulisse für das, wovon Bastian Günthers gleichnamiger Film erzählt, der weder richtige Dokumentation ist noch echter Spielfilm. Um Träume geht es da, und um das, dem sie Platz machen müssen.

Der Moskito-Mann trifft auf andere, die in der Wüste leben, von der Wüste: Metallsammler mit und ohne Gefängnis-Erfahrung; Carmen, die bleiben will trotz dieser Geräusche, die jeden Morgen zur selben Zeit in der Ferne erklingen; den Immobilienmakler, der sein eigenes Haus nicht mal fertig gebaut hatte, als er es aufgeben musste; Martin, seit 40 Jahren Pilot, „ist lieber hier oben in seinem fliegenden Käfig“.

Immer wieder tritt auch Chelsea auf, die Frau, die im Leben des einsamen Kammerjägers einmal wichtig war, ihn aber verließ. Und so ist „California City“ auch die Geschichte eines ganz persönlichen Abschieds: Ob er die Gespenster seiner Vergangenheit los wird, der Mann mit der Giftspritze? „California City“ jedenfalls, dieser gebauten Metapher für Depression in mindestens zweierlei Hinsicht, kehrt er den Rücken. aldi

Der Film läuft ab heute im Cinema im Ostertor, Bremen, und dem 3001 in Hamburg

Filmgespräch mit Regisseur Bastian Günther: Sonntag, 23. 8., 19 Uhr, 3001, Hamburg