Cuxhaven schiebt auch überfallartig ab

WEGGESCHICKT Cuxhaven schiebt Flüchtlinge auch ohne vorherige Ankündigung ab. Eigentlich ein klarer Verstoß gegen einen Erlass des Innenministeriums, aber der Leiter des Gesundheitsamtes segnet das Vorgehen des Landkreises ab

Der Landkreis Cuxhaven schiebt Flüchtlinge auch ohne Vorankündigung ab und setzt sich damit über einen Erlass des niedersächsischen Innenministeriums hinweg. In einigen Fällen müsse man davon absehen, die Flüchtlinge über ihre Ausweisung zu informieren, weil sonst zum Zeitpunkt der Abschiebung Unterstützergruppen kämen oder die Flüchtlinge nicht mehr anzutreffen seien, sagt Cuxhavens parteiloser Landrat Kai-Uwe Bielefeld. „In den Fällen schießen wir uns doch nicht selbst ins Knie und kündigen den Termin vorher an.“

Legitimieren lässt sich die Cuxhavener Ausländerbehörde ihr Vorgehen vom Leiter des niedersächsischen Gesundheitsamtes. Der nämlich empfahl in mehreren Fällen, die Betroffenen nicht über ihre Abschiebung zu informieren. Mit der Begründung, sie könnten einen Selbstmordversuch inszenieren.

In einem von ihm ausgestellten Gutachten, das der taz vorliegt, attestiert der Amtsarzt einer aus Mazedonien geflüchteten Frau unter anderem eine schwere Depression mit chronischer Suizidalität. „Vor 1,5 Monaten ging sie unvermittelt zu den Gleisen des Cuxhavener Bahnhofs, äußerte Suizidgedanken und wurde von ihren Angehörigen wieder nach Hause gebracht“, heißt es dort. Das Schreiben endet mit den Worten: „Zur Vermeidung eines demonstrativen Suizidversuchs sollte die Abschiebung nicht angekündigt werden.“

Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen bewertet die Atteste als äußerst zweifelhaft: „Hier wird mit allen Mitteln versucht, Menschen abzuschieben.“ Der Landrat Cuxhaven wirft dem Flüchtlingsrat nun Verleumdung vor und erwägt, rechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten.

Das Innenministerium hat am Vorgehen des Landkreises nichts zu beanstanden – und dreht den Spieß um: Man wolle die Belastung für die Abzuschiebenden möglichst gering halten und deshalb habe die Ausländerbehörde entschieden, sie nicht über den genauen Termin zu informieren. KSCH