„Radler können nun sicher im Kreis fahren. Voran bringt sie das nicht“

Das bleibt von der Woche Rund ums RAW-Gelände in Friedrichshain werden mehrere Menschen angegriffen, der Alexanderplatz soll von neuen Hochhäusern verschont bleiben, der Finanzsenator äußert sich zur Lage der Flüchtlinge, und der Kreisverkehr am Moritzplatz wird fahrradfreundlicher gestaltet

Nun soll es endlich rund laufen

Radler am Moritzplatz

Der Moritzplatz ist eine Insel inmitten eines wilden Radwegdschungels

Kann man den Kreis neu erfinden? Am Kreuzberger Moritzplatz mit seinem gefährlichen Kreisverkehr versucht die Verkehrslenkung Berlin genau das. Die Radwege im Rund werden deutlich verbreitert, auf maximal 3,4 Meter, und sie werden sichtbarer gemacht durch eine rote, abriebresistente Markierung, die Bauarbeiter seit Anfang der Woche nach und nach auftragen. Noch wichtiger: Es gibt nun eine zweite Spur für Radler, die den Kreisverkehr verlassen wollen. So soll „ein besseres und nachvollziehbareres Miteinander der Verkehrs­teilnehmer gefördert werden“, lässt die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Donnerstag mitteilten.

Das ist bitter nötig: Jeder fünfte Verkehrsteilnehmer am Moritzplatz ist laut der Senatsverwaltung ein Radler. Zwischen 2012 und 2014 haben sich hier 157 Unfälle ereignet, bei 69 davon wurden Menschen verletzt, in aller Regel Radfahrer. Als gefährlich bekannt ist vor allem der Weg aus dem Kreisverkehr heraus. Da soll die breit aufgetragene frische Farbe auf der Straße helfen.

Keine schlechte Idee. Es ist lobenswert, dass Radlern nach und nach mehr Platz auf Berlins Straßen eingeräumt wird. Leider zeigt eine erste Testrunde im Moritzplatzrund: Auto­fahrer sind es weiterhin eher früher als später leid, Rücksicht zu nehmen, und brettern trotz ankommenden Radlern in den Kreisverkehr. An die Tatsache, dass selbst Radler mal Vorfahrt haben, haben sich viele bisher nicht gewöhnt. Und leider schaffen es auch alle Radfahrer, sich in die richtige Spur einzuordnen.

Für den Moritzplatz gilt zudem: Auch wenn man nun relativ sicher im Kreis fahren kann, bringt einen das verkehrstechnisch nicht viel weiter: Der Platz mit seinem schicken neuen Streifen ist eine Insel inmitten eines wilden Radwegdschungels. Entlang der kreuzenden Oranienstraße sind diese sehr schmal, durch die Wurzeln der Bäume uneben geworden oder zugewachsen; östlich des Platzes fehlen sie völlig. Das Rad­(fahren) wird so nicht neu erfunden. Bert Schulz

Erfolgreiche Warnung für Partygänger

Angriff am RAW-Gelände

Auf dem beigefügten Foto im Internet sieht man die genähte Halswunde

Jennifer Weist, Sängerin der Rockband Jennifer Rostock, hat ganze Arbeit geleistet: Ihren Face­book-Eintrag vom Angriff auf einen Bekannten in der Nähe des RAW-Geländes haben am Ende der Woche an die 100.000 Leute gelesen. Die Empörung ist riesig. Dass es auch rassistische Kommentare dazu gibt – sei’s drum. Weist hat ihr Anliegen klargemacht: Besucher der Friedrichshainer Party­meile sollen gewarnt sein.

Die Sängerin war Sonntagnacht dabei, als ihr Bekannter attackiert wurde: Erst wollten zwei junge Taschendiebe ihr die Geldbörse klauen. Die Diebe wurden ertappt, riefen drei Kumpane herbei – und schlitzten in der Folge der Auseinandersetzung Weists Begleiter mit einem Messer den Hals auf.

Die Gegend rund um die Revaler Straße ist europaweit als Partymeile bekannt. Von Jahr zu Jahr ziehen die Clubs und Bars mehr Gäste an. Mit den Besuchern kommen Taschendiebe und Räuber. Das ist überall so. Eine neue Stufe indes ist erreicht, wenn in flagranti ertappte Diebe ihre Beute brutal zu verteidigen suchen, statt davonzulaufen. Zwei 19-jährigen Touristen aus Holland ist es Sonntagnacht ähnlich ergangen. Sie wurden von 15 Männern zusammengeschlagen. Nur insofern hatten sie Glück, dass sie kein Messer in den Hals bekamen.

Zwei Vorfälle an einem Tag – ist das Zufall? Selbst wenn es so wäre, können Anwohner und Partywütige froh sein über Weists Bericht. Das Foto im Internet von der genähten Halswunde ist eine deutliche Mahnung. Auch die Polizei hat nun eine Warnung für Nachtschwärmer bei Facebook veröffentlicht. Klar ist indes: Herkömmliche Präventionsmaßnahmen hätten ohne die Offensive der Sängerin nie so viel Aufmerksamkeit bekommen. PLUTONIA PLARRE

Die Angst
vor den WählerInnen

SPD und Flüchtlinge

Seit Wochen bitten FlüchtlingshelferInnen Senat und Behörden um Hilfe

Er wolle die Themen Wohnungsneubau und Flüchtlinge nicht verknüpfen, sagt Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) im am Freitag erschienenen taz-Interview. Der Finanzsenator erinnert an die „Pogromstimmung“ der 90er Jahre, die durch solche Verknüpfungen befördert worden sei.

Ja, es gab diese Pogromstimmung. Doch Berlin ist nicht Rostock und nicht Hoyerswerda und auch nicht Freital. Auch in Berlin demonstrieren Rechte vor Flüchtlingsheimen, meist kleine Häufchen, und zwar vor allem – traurig, aber wahr – im Osten der Stadt. Deutlich mehr BerlinerInnen – auch im Osten! – steuern diese Heime derzeit aus ganz anderen Gründen an: Weil sie Spenden abgeben oder ehrenamtlich helfen wollen.

Hier deswegen eine andere These zur Erklärung der von Kollatz-Ahnen zitierten Pogromstimmung: Behörden und Politik haben sich damals auf die Seite des Pöbels gestellt, der vor den Heimen demonstrierte. Behörden, indem sie auf Hilferufe zu spät reagierten; Politiker, indem sie die Lage zur Einschränkung des Asylrechts nutzten.

Das kommt Ihnen bekannt vor, liebe LeserInnen? Richtig: Seit Wochen bitten freiwillige FlüchtlingshelferInnen Senat und Behörden vergeblich um Hilfe. Wieder diskutieren Politiker Einschränkungen im Asylrecht. Und wer vor Heimen demonstriert, heißt nicht mehr Pöbel, sondern neuerdings „Asyl­kritiker“. Wollten Politiker Pogromstimmung vermeiden, wäre der erste Schritt, sich klar auf die Seite derjenigen zu stellen, die Flüchtlinge aktiv willkommen heißen, die helfen und die mit der Aufnahme Schutzsuchender nicht den Untergang des Abendlands verbinden.

Doch wir wollen fair bleiben: Es ist nicht so, dass der Senat das nicht täte. Im neuen Flüchtlingskonzept findet sich dazu immerhin ein Satz: „Der Senat wird Anfeindungen und rassistische Ressentiments gegen Geflüchtete nicht hinnehmen und rechtsextremen Gruppierungen und Aktivitäten entgegentreten.“ Das ist zwar noch nicht ganz die Willkommenskultur, die sich der Senat auf die Fahnen geschrieben hatte, aber ein Anfang.

Schade nur, dass der nicht am Anfang steht. Der Satz findet sich auf der vorletzten Seite des Konzepts im Kapitel „Öffentlichkeitsarbeit“. Ein klares Bekenntnis, welchen Stellenwert der Senat ihm gibt. Alke Wierth

Ein Plan, reif für das Museum

Hochhäuser am Alex

Schön ist der Alexanderplatz nicht. Aber es brummt dort, er funktioniert

Nur keine Schwäche zeigen. Und schon gar nicht die alten Pläne hinterfragen. Nein, der Architekt Hans Kollhoff, ein Großer seiner Branche, stand am Dienstag zum Auftakt des „Alex-Dialogs“ da und machte den starken Mann. Acht oder zehn seiner ursprünglich zwölf Wolkenkratzer könnten doch realisiert, bestehende Bauten tabula-rasa-mäßig abgerissen werden, grollte Kollhoff. Ein paar kleine Anpassungen hier und dort – okay. Aber der Alexanderplatz soll wie im Entwurf von 1994 vorgesehen Berlins Hochhausstandort Nummer eins bleiben, das „Manhattan des Ostens“. Punktum!

Kollhoffs Hochhaus-Masterplan ist 21 Jahre alt. Von den zwölf mehr als 150 Meter hohen Wolkenkratzern wurde bis heute kein einziger realisiert. Eigentümerwechsel, die Finanzkrise, ein Umdenken im Städtebau haben die geplante Hochhauslandschaft im Osten verhindert. Und es geht weiter in diese Richtung: Wohnungsbauten, nicht Bürotürme, sind aktuell in Berlin gefragt. Die Sache muss auf den Prüfstand, die städtebauliche Neuausrichtung an dem Standort ist jetzt angesagt, wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher richtig formulierte. Dafür gibt es den Alex-Dialog, ein kooperatives Verfahren der Bauverwaltung zur Korrektur des Hochhaus-Masterplans an Ostberlins bekanntestem Platz.

Das ist auch vernünftig. Dass es vielleicht ein, zwei Türmchen noch gebaut werden können – geschenkt. Viel wichtiger ist, den denkmalwerten Bestand zu sichern, zu erhalten und aus diesem heraus den Platz weiterzuentwickeln: den DDR-Städtebau der 60er Jahre, das Park Inn, die Passagen und das Viadukt, das Haus des Reisens und das Haus des Berliner Verlags, die Plattenbauten, das Warenhaus. Das alles ist der Alexanderplatz heute.

Schön ist er nicht. Aber es brummt dort, er funktioniert – und er ist authentisch. Darum lieben die Berliner ihren Alex.

Kollhoffs Pläne hatten – und haben – einen ganz anderen Ort im Sinn. Seine Wolkenkratzercity stammt aus den wilden Zeiten Anfang der 1990er Jahre, in der die Stadt radikal umgebaut werden sollte. Berlin war damals süchtig nach solchen Bildern und Planungen. Heute sind solche Konzepte höchstens Zeugnisse einer vergangenen Berliner Ära – einem „goldenen Zeitalter“ übrigens für Architekten wie Kollhoff.

Der Masterplan gehört ins Architekturmuseum. Neue Ideen und Konzepte für den Alexanderplatz müssen aus seiner Rea­lität heraus entwickelt werden. Nicht mit Kollhoffs ollen Kamellen. Rolf Lautenschläger