Jede Unterschrift für den Mietenvolksentscheid kochte die SPD ein bisschen weicher. Am Ende waren es mehr als 40.000 Foto: Christian Mang

So wird jetzt Politik gemacht

WOHNUNGSPOLITIK Der Senat verständigt sich mit der Mieteninitiative und stimmt einem milliardenschweren Kompromiss zu, um einen Volksentscheid zu verhindern. Ist das noch demokratisch?

Von Antje Lang-Lendorff

Sie sehen müde aus. Und glücklich. Als die drei Vertreter vom Bündnis für einen Mietenvolksentscheid am Mittwoch der Presse ihre Einigung mit dem Senat vorstellen, haben sie hinter sich Plakate an die Wand gehängt. Ein blauer Smiley mit Sprechblase ist darauf zu sehen. „Druck wirkt!“, ruft der lächelnd in den Raum.

Das ist die eigentliche Botschaft dieser Einigung. Eine überschaubare Gruppe von Engagierten – im Kern zehn bis zwanzig Personen – hat es geschafft, eine Debatte loszutreten, den Senat aufzuscheuchen. Und am Ende ein Ergebnis auszuhandeln, das sich sehen lassen kann: MieterInnen in Sozialwohnungen müssen in Zukunft nicht mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben, den Rest erstattet ihnen das Land. Und auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen werden wieder stärker auf ihre eigentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge festgenagelt.

Nach den erfolgreichen Volksentscheiden zur Offenlegung der Wasserverträge und gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes ist dies ein weiterer Meilenstein in der eher kurzen Geschichte der direkten Berliner Demokratie. Schon einmal, beim Kita-Volksbegehren 2009, hat der Senat einen Entscheid abgewendet, indem er den Initiatoren entgegenkam. Die neuen ErzieherInnen kosteten das Land damals rund 40 Millionen Euro pro Jahr.

Die Vereinbarungen mit der Mieteninitiative sind viel teurer: Der Senat beziffert die Kosten mit im Schnitt rund 280 Millionen Euro pro Jahr. Eine bemerkenswerte Summe. Und so gut man die Einigung finden mag, so sehr man das Anliegen des Bündnisses teilt, stellt sich doch die Frage: Wenn einige wenige, die gut organisiert sind, ganz ohne Abstimmung einen solchen Einfluss nehmen können, ist das noch demokratisch?

Die Mieteninitiative strebte einen Volksentscheid parallel zur Abgeordnetenhauswahl 2016 an. Das schürte in der SPD die Angst vor Stimmverlusten. Knickte der Senat deshalb im vorauseilenden Gehorsam vor den Partikularinteressen des Bündnisses ein, statt es zum Entscheid und damit zur wirklichen Kraftprobe kommen zu lassen?

Ein zentrales Problem

Dagegen spricht die große Unterstützung aus der Bevölkerung, die das Bündnis bereits bei der Unterschriftensammlung erfuhr – einfach weil die Initiative ein zentrales Problem in dieser Stadt, die steigenden Mieten, zum Thema machte. Es ist daher durchaus wahrscheinlich, dass eine Mehrheit für niedrigere Mieten in Sozialwohnungen gestimmt hätte. Bewiesen ist es nicht. Noch schöner wäre die jetzige Einigung, wenn sie durch eine Abstimmung tatsächlich legitimiert wäre.

Doch das ist Theorie. In der Praxis können der Senat und das Bündnis gut mit dem Ergebnis leben. Und die meisten BerlinerInnen sicherlich auch.

Es zeigt sich zudem immer deutlicher, dass Volksbegehren und -entscheide ein wunderbares Mittel sind gegen Politikverdrossenheit. „Wir haben nie gedacht, dass wir so weit kommen“, freute sich nach der Einigung einer der Aktiven. Eine erfreuliche Erkenntnis: Es lohnt sich also, sich einzumischen. Das Bündnis hat bereits angekündigt, auch weiterhin mitreden zu wollen.

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