Das Medienhaus an der Rudi-Dutschke-Straße | Fragwürdig hilfsbereit. Bürgerlich anpackend. Fleißig summend.

Freiheit Google, Facebook und Apple umgarnen die Verlage mit Geld, Schulungen und Kooperationsprojekten. Viele Zeitungshäuser lassen sich scheinbar lustvoll auf das Werben ein. Die taz nicht
: Nachhilfe von den Datenkraken

Zur Not mit den Datenkraken ins Bett – Verleger tun alles, um diese Zielgruppe zu erreichen: junge, urbane Smartphone-NutzerInnen Foto: K. Thielker

von Anne Fromm

Es war eine kleine Sensation in der Verlagswelt, als Google im März seine „Digital News Ini­tia­tive“ ankündigte – eine Art Gesprächskreis mit den Verlagen, über die digitale Zukunft. Dazu will Google in diesem Herbst einen Fördertopf von 150 Millionen Euro für digitale Projekte ausschütten und Journalisten in digitalen Fragen schulen.

Zum Start der Initiative waren acht Verlage aus der ganzen Welt dabei, mittlerweile beteiligen sich fast alle Großen, aus Deutschland unter anderem der Spiegel, die FAZ und die Süddeutsche Zeitung. Aus der „Black Box“ Google, die einige Verlage jahrelang kritisiert und bekämpft hatten, ist also der Freund geworden, der sie in die Zukunft führen soll.

Jahrelang haben sich die großen Internetunternehmen aus den USA kaum für den Journalismus interessiert. Jetzt umgarnen sie die Verlage mit Kooperationsangeboten und neuen Geschäftsmodellen. Apple und Twitter testen in den USA gerade in Kooperation mit verschiedenen Verlagen eigene News Apps.

Facebook hat sein „Instant Articles“ eingeführt – eine Funktion, die es Verlagen ermöglicht, ihre Artikel direkt in der Mobil-App des sozialen Netzwerkes laufen zu lassen, statt wie bisher auf die eigene Webseite zu verlinken. Im Juni hat bild.de seinen ersten Instant Article veröffentlicht, Spiegel Online will bald folgen. Zeit Online und mehrere Lokalzeitungen haben bereits angekündigt, ebenfalls an dem Experiment gern teilzunehmen.

Die taz wird sich an solchen Kooperationen nicht beteiligen. „Sicher gibt es Themen, bei denen die Medienbranche von einem Austausch mit Google profitieren kann“, schreibt taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch in der aktuellen Genossenschaftsmitteilung. „Es stellt sich allerdings die Frage, ob in einem so umfassenden Projekt nicht Abhängigkeiten geschaffen werden, die auch auf die journalistische Arbeit Einfluss nehmen.“

Technische und wirtschaftliche Abhängigkeiten bestehen ja heute schon: Die Mediennutzung wird immer mobiler. Die Unternehmen, die die digitalen Marktplätze und Apps beherrschen, gewinnen zusehends an Einfluss. Leserinnen und Leser konsumieren ihre Nachrichten zunehmend eher in den sozialen Netzwerken, als direkt die Startseiten der Nachrichtenportale aufzurufen.

Laut einer aktuellen Studie lesen 63 Prozent der US-Amerikaner Artikel bereits bei Facebook – ein Trend, den auch die deutschen Medienhäuser merken, wenn auch noch nicht so stark. Zu taz.de gelangen 16 Prozent der Nutzer über Facebook, 20 Prozent über Google. Wollen die Verlage also dort sein, wo ihrer Leser sind, müssen sie sich in den sozialen Netzwerken verkaufen. Die Internetunternehmen schlagen daraus Kapital: Je länger die Leute auf ihren Webseiten bleiben, desto höhere Anzeigenpreise können sie verlangen. Wer in seiner iPad-App künftig gut ausgewählte Nachrichten findet, für den wird das Gerät noch unverzichtbarer. Und wer Facebook nicht mehr verlassen muss, um ansprechend präsentierte, journalistische Geschichten zu lesen, verbringt noch mehr Zeit in dem sozialen Netzwerk. Apple will mehr Geräte verkaufen, Facebook Werbeplätze.

Die Unternehmen, die die digitalen Marktplätze und Apps beherrschen, gewinnen zusehends an Einfluss

Nur, wenn Facebook die Plattform stellt, wäre es dann nicht denkbar, dass das Unternehmen irgendwann in die Artikel eingreift? Eine erste Andeutung hat Chris Cox, Produktchef von Face­book, bereits im Juni vor Studenten in Berlin gemacht: Wenn Inhalte gegen unsere Face­book-Regeln verstoßen, löschen wir sie.

Ähnliche Fragen stellen sich bei den anderen Unternehmen: Google will bis Ende des Jahres 10.000 Journalisten weltweit geschult haben. Schulen heißt vor allem: im Umgang mit Daten weiterbilden, lehren, wie „Google Trends“ funktioniert. Nur: Wenn Journalisten an den Goo­gle-­Werkzeugen ausgebildet werden, welche Chance haben dann überhaupt noch kleinere Anwendungen, die nicht von Google entwickelt und vermittelt werden? Vergrößert das nicht die Abhängigkeit vom Suchmaschinenkonzern noch weiter?

Die taz war schon immer kritisch, wenn es darum ging, sich von Unternehmen abhängig zu machen. Abhängig ist sie allein von ihren Genossen und Abonnenten. Das soll auch in Zukunft so bleiben.

Die Autorin ist Medienredakteurin im Ressort tazzwei