heute in hamburg
:

„Mehr als Schöner-Wohnen“

Lars Grote

:

27,wohnt selbst seit 2008 in Wilhelmsburg. Er studiert Sozialwissenschaften und Politik auf Lehramt.

taz: Herr Grote, Sie starten eine Veranstaltungsreihe über Ihr zukünftiges Wohnprojekt. Warum sollen sich andere Leute dafür interessieren?

Lars Grote: Das Erdgeschoss soll eine öffentliche Fläche werden. Wir wollen aber nicht vorgeben, was im Erdgeschoss entsteht, sondern öffentlich einladen und Ideen sammeln. In einem demokratischen Prozess gucken wir, was das Viertel braucht und was die Leute wollen. Es geht um das Grundstück Vogelhüttendeich 30, wo noch das alte Rialto-Kino steht. Ein Investor hat es gekauft und will abreißen. Wir hoffen, dass wir den Zuschlag für den Neubau kriegen.

Was stellen Sie sich für die öffentliche Nutzung vor?

Vielleicht eine Bühne – eine Theatergruppe hat schon Interesse bekundet –, aber man könnte die Bühne auch für politische oder kulturelle Veranstaltungen nutzen. Oder wir richten eine Werkstatt ein. Man kann den Raum auch teilen und mehrfach nutzen. Oder sich einfach da aufhalten und Kaffee trinken.

Lässt sich mit solchen Wohnformen dem kapitalistischen Wohnungsmarkt etwas entgegen setzen?

Es läuft ja so, dass wir einen Verein gründen, der dann Teil des Mietshäusersyndikats ist, einem Verbund von Hausprojekten. Das Syndikat baut das Haus und entzieht es so für immer dem Wohnungsmarkt. Es gibt dann kein Mieter-Vermieter-Verhältnis. Du kannst komplett über deinen Wohnraum entscheiden, kannst bauen und umbauen wie du willst. Solange du da wohnst, hast du alle Eigentumsrechte, aber es ist nicht dein Eigentum, sondern gehört dem Syndikat.

Das ist eine Individuallösung, keine grundsätzliche.

Genau das wollen wir öffentlich diskutieren. Uns einfach aus der Mietenproblematik rausziehen und ein „Schöner Wohnen“ für uns schaffen – das wollen wir natürlich nicht. Wir wollen darüber reden, welche Alternativen zum kapitalistischen Wohnungsmarkt es gibt und wie man Wohnraum gut verteilen kann.

Welche Rolle spielt das Projekt für eine Gentrifizierung Wilhelmsburgs?

Wahrscheinlich eine ziemlich große. Natürlich ist es etwas sehr Hippes, viele von uns sind Studierende und haben ein gewisses soziales Kapital. Das muss man weiterhin thematisieren und kritisch beleuchten. Interview: KSCH

„Das Mietshäusersyndikat als emanzipatorisches Modell für eine gesamtgesellschaftliche Organisierung von Wohnraum?“: 19 Uhr, Schulschiff der Freien Schule für Gestaltung, Industriestraße 125–131