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VERMARKTUNG Mit dem Basketballstar James Harden und der Strategie des Konkurrenten Nike versucht Adidas endlich auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen

Das ist eine Menge Geld für einen Vollbart. 200 Mil­lio­nen Dollar bietet Adidas dem Basketballspieler James Harden dafür, dass er in den kommenden 13 Jahren Schuhe des fränkischen Sportartikelherstellers trägt und, so ein Adidas-Sprecher, „unsere Marke zu neuen Höhen führt“. 14 Millionen Euro im Jahr für einen Spieler, den man in Europa vor allem aufgrund seiner markanten Gesichtsbehaarung kennt?

Doch die Nachricht kommt nicht überraschend. Der zuletzt kriselnde Konzern aus Herzo­gen­aurach hat eine neue Strategie angekündigt und will den Konkurrenten Nike dort angreifen, wo der traditionell besonders stark ist: im Basketball. Auch Harden war bislang bei der in Oregon ansässigen Firma unter Vertrag und Nike hat bis Ende nächster Woche Zeit, die Adidas-Offerte zu überbieten.

Wahrscheinlich ist das nicht. Zu gut steht der Konzern da. Beim weltweiten Umsatz hat man Adidas in den vergangenen Jahren immer weiter hinter sich gelassen, der in den USA sogar nur noch die Nummer drei unter den Sportartiklern ist, seit man im vergangenen Jahr von Under Armour überholt wurde.

Aber nicht nur in Übersee hat Adidas Probleme. 2014 war – vor allem wegen der Russlandkrise – der Absatz eingebrochen und der Aktienkurs zeitweise abgestürzt. Daraufhin beschloss die Firma das Marketing-Budget von 12 auf 14 Prozent der Einnahmen nicht nur zu erhöhen, sondern auch anders zu verteilen. Im März verkündete man, den auf 400 Millionen Dollar geschätzten Vertrag als offizieller Ausrüster der NBA nach elf Jahren mit der Saison 2016/17 auslaufen zu lassen.

Statt also Shirts und Hosen mit NBA-Logo zu vermarkten, setzt Adidas auf die bewährte Strategie des Konkurrenten Nike. Die wurden einst groß mit Michael Jordan und seinen Air Jordans, die seit Jahrzehnten Kult- und Sammlerobjekt sind. Was sich im Fußball auszahlt, wo Adidas 128 Millionen Dollar jedes Jahr allein an Manchester United überweist, scheint im Basketball nicht zu funktionieren. Dort ist eben nicht die Mannschaft der Star. Künftig will also auch Adidas lieber einzelne Spieler verpflichten, die einen nach ihnen benannten Schuh verkaufen sollen. Diesen zuletzt immer weiter gewachsenen Markt beherrscht in den USA Nike zu 90 Prozent. Adidas‘ Anteil dagegen: 5 Prozent.

Ganz neu ist der Adidas-Plan nicht. Allerdings hatten die Franken Pech und setzten in der Vergangenheit oft aufs falsche Pferd. 2012 unterzeichnete Derrick Rose, der Aufbauspieler der Chicago Bulls, einen 183-Millionen-Dollar-Deal mit Adidas, nur um sich prompt schwer zu verletzen. Bis heute hat Rose nicht zu jener Form zurückgefunden, dank der er 2011 zum MVP, zum besten NBA-Spieler, gewählt wurde.

Nun also Harden. Der ist zweifellos einer der besten Basketballspieler, aber eben auch nicht so überragend wie ein LeBron James. Während der bei Nike unter Vertrag ist und ein mittelmäßiges Team wie Cleveland fast im Alleingang ins NBA-Finale hievte, schieden Harden und seine Houston Rockets im Halbfinale gegen den späteren Meister, die Oakland Warriors mit Stephen Curry, aus. Auch Hardens Spielweise ist nicht eben spektakulär. Der 25-Jährige ist nicht für seine Dunks bekannt, sondern für seine Effektivität. Wie kein Zweiter versteht er es, Fouls zu schinden und von der Freiwurflinie zu punkten.

Dafür ist Harden abseits des Platzes umso auffälliger. Längst ist „The Beard“ zur Marke geworden. Dass Harden zudem in seiner Freizeit extravagante Kleidung trägt, kreischend gemusterte Hemden mit schicken Anzügen und Cowboy-Hüten kombiniert, gern mal eine Designerbrille aufsetzt und sich eine bunte Fliege umbindet, macht ihn zur Stilikone und dann wohl doch zur geeigneten 200-Millionen-Investition. Thomas Winkler