„Wir sind Kriegskinder“

Ukraine Mädchen und Jungen aus der umkämpften Ostukraine sind für zwei Wochen in der Stadt, um den Krieg in ihrer Heimat wenigstens kurz zu vergessen. Ein Zirkusprojekt hilft ihnen dabei. Hier schildern Zehn- bis Vierzehnjährige den Alltag aus ihrer Sicht

Nikita Nesterenko (14) Ich stamme aus Krasnyj Lutsch, Oblast Lugansk. Mit den Eltern und meiner Schwester Veronika bin ich im August 2014 nach Charkiw geflohen, als sich die Situation verschlechterte. Die Stadt ist so groß und schöner als meine Heimatstadt, aber es ist nicht das Gleiche. Ich vermisse die Großeltern und Cousin Maxim sehr. Sie leben noch in Krasnyj Lutsch und ich telefoniere regelmäßig mit ihnen, um zu hören, dass es ihnen gut geht.

Ilya Rudenko (14) Ich komme aus Horliwka, Oblast Donezk. Mit Großmutter lebe ich seit acht Monaten in Charkiw. Wir sind in einem Studentenwohnheim untergekommen in einem Zimmer, so groß wie eine Turnmatte. Meine drei älteren Brüder sind noch in Horliwka. Ich wäre gerne dort geblieben, aber als die Kämpfe immer schlimmer wurden, floh meine Oma mit mir. Ich hoffe sehr, dass wir zurückkehren können. Aber dort wird immer wieder geschossen.

Sonya Krishchenko (12) Ich stamme aus Horliwka, 47 Kilometer entfernt von Donezk. Vor zwei Monaten bin ich mit meinen Eltern und meinem Bruder Ilya (20) im Auto nach Charkiw geflohen, weil die Kämpfe wieder heftiger wurden. Unser Haus wurde zum Glück nicht zerstört. Charkiw ist okay, aber ich vermisse meine Heimat. Wenn ich jemals wieder nach Hause zurückkehre, möchte ich zuerst meine Freunde treffen und über den zentralen Platz spazieren.

Vadim Atamaniuk (14) Meine Familie kommt aus Makijiwka. Seit einem Jahr lebe ich mit den Großeltern und meiner Schwester in Charkiw. Wir sind mit dem Zug geflohen, deshalb musste ich mein Fahrrad zurücklassen. Meine Heimatstadt ist die drittgrößte Stadt im Donezbecken und berühmt für ihre Sternwarte. Mir gefällt es in Charkiw, aber ich möchte wieder zurück. Zu Hause könnte ich wieder Rad fahren. Auch würde ich meinen Cousin gern wiedersehen.

von Nils Bröer (Fotos und Texte)

Katja Kyanowa (11) Ich kann mich genau an das Datum erinnern, an dem wir Luhansk verlassen haben – am 6. Juni 2014. Den Sommer habe ich noch bei meiner Schwester in Tschernigow verbracht, danach bin ich mit Eltern und Großvater nach Kiew gezogen, aber mir gefällt es dort nicht. Sollte ich jemals nach Luhansk zurückkehren, weiß ich, was ich zuerst tun möchte: Ich werde in mein Zimmer gehen, mich aufs Bett legen und spüren, dass ich wieder zu Hause bin.

Oleg Strelec (11) Ich stamme aus Dokushaievsk, Oblast Donezk. Seit einem Jahr lebe ich mit meinen Eltern und Geschwistern auf engem Raum in Charkiw. Unser altes Haus war viel größer und bequemer. Charkiw gefällt mir nicht gut. Meine Heimatstadt liegt direkt im Kampfgebiet und wurde immer wieder beschossen. Zu meinen Freunden, die noch dort sind, habe ich keinen Kontakt mehr. Obwohl ich meine Heimat vermisse, möchte ich nicht mehr dorthin zurück.

Dascha Korolowa (10) Ich komme aus Krasnyj Lutsch, Oblast Luhansk. Ich bin vor einem Jahr mit meinen Eltern nach Charkiw geflohen, aber dort gefällt es mir nur ein bisschen. Ich vermisse unser altes Haus. Gerade habe ich einen Bruder bekommen, er heißt Fjodor wie der Schriftsteller Dostojewski. Meine Großeltern leben noch in Krasnyj Lutsch. Ich möchte unbedingt in meine Heimat zurück, wenn der Krieg vorbei ist, und will zuerst Oma und Opa sehen.

„120 Mal Lächeln in Deutschland“ lautet das Motto, unter dem Flüchtlingskinder aus dem ostukrainischen Donbass gemeinsam mit deutschen Teilnehmern in drei Durchgängen von Juli bis August ein Zirkusprogramm in Zehlendorf einstudieren. In Kooperation mit dem Jugendzirkus Cabuwazi hat der Verein partners Osteuropa 120 Kinder eingeladen, damit sie bei Jonglage und Tuchakrobatik die Erinnerungen an Flucht und Krieg für jeweils zwei Wochen hinter sich lassen können. Am Ende jedes Aufenthalts steht eine große Abschlussvorstellung. Für die Auftritte auf dem Gelände der Jugendfreizeiteinrichtung Düppel, Lissabonallee 6, am Samstag, dem 15. August, und Samstag, dem 29. August, gibt es noch kostenfreie Karten (Spenden erbeten). Reservierungen unter: buero@partners-osteuropa.org.