Schwarz-Rot scheitert nach einem Jahr

In Köln ist die Liaison von CDU und SPD schon wieder beendet – weil den Großkoalitionären die Posten wichtiger als die Inhalte waren. Gedankenspiele über Ampel oder Jamaika. Doch dann müsste die Union noch mehr Zugeständnisse machen

AUS KÖLN SEBASTIAN SEDLMAYR

Was in Berlin fieberhaft versucht wird, ist in Köln nach knapp einem Jahr bereits zu Ende: Die Spitzen der großen Koalition im Kölner Rathaus haben ihre Zusammenarbeit aufgekündigt. „Diese Koalition ist beendet“, sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU im Kölner Stadtrat, Winrich Granitzka, gestern nach einem Krisengespräch im Rathaus der Millionenstadt. Der Grund: Streit um Posten.

Wie in Berlin, sind auch in Köln die politischen Inhalte seit Wochen von Personaldebatten überlagert worden. Die ernsten Querelen begannen Anfang Oktober, als die SPD ihren Kandidaten Werner Böllinger als Sprecher des mächtigen Stadtwerke-Konzerns gegen den erklärten Willen der CDU durchsetzte. Daraufhin stellte die Union der SPD ein Ultimatum: Entweder die Sozialdemokraten schlagen einen Ausgleich für Böllinger vor oder die Koalition wird nicht fortgesetzt. Doch die SPD ließ sich nicht beirren. Im Gegenteil: Sie verlangte sogar noch das Amt des Stadtkämmerers dazu, der bislang vom CDU-Mann Peter-Michael Soénius bekleidet wird.

Über dem Pöstchengeschacher hat die Kölner Koalition das Regieren vergessen. Weder über die Sanierung des maroden Haushalts noch über wichtige städtebauliche Entscheidungen hat sie sich verständigt. Das Kölner Boulevardblatt Express forderte gestern anlässlich des Krisengipfels: „Es reicht! Kümmert euch endlich um Kölns wahren Probleme.“ Doch bis die Ratsleute in der Domstadt wieder eine Linie finden, dürfte noch einiges Wasser den Rhein hinabfließen. Denn nach dem Bruch der großen Koalition rechnen sich gleich vier Fraktionen sehr gute Chancen aus: CDU, SPD, FDP und Grüne. Möglich sind eine „Jamaika“-Koalition aus CDU, FDP und Grünen und eine „Ampel“ mit der SPD als größte Fraktion.

„Natürlich sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen“, sagte die grüne Fraktionschefin Barbara Moritz gestern. Ob sie lieber mit der CDU oder der SPD zusammengehen möchte, ließ die Ratsfrau offen. Ebenfalls Interesse zeigte gestern der FDP-Fraktionsvorsitzende Ralph Sterck. Er rechnet sogar mit einem Impuls für die Bundespolitik: „Wenn wir hier zu einer Koalition mit den Grünen kommen, egal ob mit CDU oder SPD, wird man auf Köln gucken, wie das hier funktioniert.“ Welche Konstellation er für wahrscheinlicher hält, wollte er nicht sagen. Inhaltlich seien die Übereinstimmungen mit der CDU größer. Aber: „Mit der SPD ist das Arbeiten wesentlich einfacher.“

Tatsächlich ist die SPD mit ihrem starken Fraktionschef Martin Börschel besser aufgestellt als die intern völlig zerstrittene Kölner CDU. Deren Droh- und Anreizpotenzial ist auch deshalb so gering, weil schon beide mögliche Partner schlechte Erfahrungen mit ihr gemacht haben: Als die Union 1999 die SPD als größte Fraktion im Kölner Stadtrat ablöste, ging sie zunächst mit der FDP zusammen. Dann, nachdem die CDU-Fraktion Anfang 2003 gegen den Verkauf der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft GAG gestimmt hatte, stieg die FDP aus. Die Grünen sprangen ein und schmiedeten das erste schwarz-grüne Bündnis in einer deutschen Millionenstadt. Nach der Kommunalwahl 2004 hatte es wegen des miserablen Wahlergebnisses der CDU nicht mehr für eine Fortsetzung des schwarz-grünen Bündnisses gereicht. Die in Flügelkämpfen aufgeriebene Union trieb in die Arme einer erstarkten SPD.

In einem Bündnis mit Grünen und FDP müsste die Union voraussichtlich noch mehr Zugeständnisse machen als in der großen Koalition. Trotzdem erklärte der direkt gewählte CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma, der vielen als letzte Konstante der Union gilt, gestern im Kölner Stadt-Anzeiger: „Ich will eine Jamaika-Koalition nicht als unmöglich darstellen.“