Grenzen der Pressefreiheit?

Staatsaffären Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen Journalisten wegen „Landesverrats“, weist den Justizminister zurecht und tritt ab. Und nun?

In den Schatten gerückt: der ehemalige Generalbundesanwalt Range Foto: dpa

Strafvereitelung

betr.: „Mutiger Terrorjäger“, taz vom 5. 8. 15

Hier wird, wie bei dergleichen allgemein üblich, mal wieder, öffentlich aus allen Rohren schießend, bloß „eine“ Sau durchs Dorf getrieben. Der eigentliche Skandal ging voran und heißt: „Strafvereitelung“, derer sich der Exbundesstaatsanwalt schuldig gemacht hat, und weswegen er und seine Oberen hätten zur Verantwortung gezogen werden müssen. Gemeint ist die Einstellung eines Verfahrens gegen die NSA und deren Erfüllungsgehilfen namens Bundesverfassungsschutz mit Oberen in Innenministerium und Kanzleramt. Die Begründung hieß: „Mangel an Beweisen“.

Aber es mangelte überhaupt nicht an Beweisen. Vielmehr werden besagte Beweise aus vorgeblichen Gründen der „Staatsraison“ gegenüber einer „befreundeten“ Nation – dabei fällt einem aktuell gerade spontan Hiroshima und Nagasaki ein – zurückgehalten. Dergleichen wäre eigentlich als krimineller Akt zu bezeichnen. Um das Veräppeln des Bürgers zu vervollständigen, gibt es in solchen Fällen dann immer noch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Dieser wird jedoch stets von den eigentlich Schuldigen, welche die Regierung stellen, dominiert, was nach der allgemeinen Erfahrung bedeutet, die Sache verläuft ohne irgendeine Konsequenz für die Drahtzieher im Sande. HARTMUT WOHLER, Berlin

Große Entrüstung

betr.: „Mundtot machen“, taz vom 1. 8. 15

Landauf, landab ist die Entrüstung groß. Kaum ein prominenter Vertreter der vermeintlichen „vierten Gewalt“, der nicht aufbegehrte gegen das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen netzpolitik.org wegen des „Verdachts des Landesverrats“ und gegen die Anzeige des Verfassungsschutzes, der, nähme er die ihm übertragenen Aufgaben ernst, sich aufgrund seiner Verfehlungen und Unterlassungen eigentlich selbst abschaffen müsste.

Wacker schwenken Journalisten und Kommentatoren aller Couleur das Banner der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Medien.

Doch wie lange wird die Empörung anhalten, bis das Gros unserer medialen Sinnstifter wieder in die Rolle von Paladinen zurückfällt und jede kritische Distanz zur politischen Führung unseres Landes aufgibt? Die vergangenen Monate haben – gerade im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine und der russischen Position oder mit der Tragödie in Griechenland – doch gezeigt, wie sehr die schreibende Zunft auch bereit ist, ihre intellektuelle Souveränität billiger Agitation zu opfern. PETER MICHEL, Ravensburg

Autokratisch

betr.: „Mundtot machen“, taz vom 1. 8. 15

Um aus den veröffentlichten Dokumenten des Verfassungsschutzes durch Netzpolitik.org Landesverrat zu destillieren, muss man schon ein sehr autokratisch-antiquiertes Staatsverständnis pflegen. Wir haben in der DDR die Stasi nicht in die Wüste geschickt, um sie nun in digitaler und verbesserter Form neu aufleben zu lassen. Geheimdienste müssen in jedem Fall wirksam demokratisch kontrolliert werden, sonst haben wir irgendwann Zustände wie jetzt in Russland. Ich teile die Einschätzung von Wolfgang Kubicki, dass das Vorgehen des Generalbundesanwalts Range ein Angriff auf den Rechtsstaat darstellt. Von bornierter Unfähigkeit muss man sprechen, als Range das Verfahren zum Ausspähen durch die NSA einstellte. Die Rechte der Bürger und deutschen Politiker, nicht von ausländischen Geheimdiensten komplett überwacht zu werden, scheinen Harald Range nicht befassenswert. Die NSA Spitzelaffäre und die Attacke auf Presseleute, die sich mit geheimdienstlicher Schnüffelpraxis befassen, zeigt, Range war den Anforderungen seines Amtes nicht gewachsen.

MARKO FERST, Gosen

Ein Skandal

betr.: „Mundtot machen“, taz vom 1. 8. 15

Die Meinungs- und Pressefreiheit ist die Wurzel und Basis eines demokratischen Rechtsstaats. Wenn sich der Herr Generalbundesanwalt hat politisch motivieren oder gar instruieren lassen, so wäre die ohnehin juristisch unsachgerechte Vorgehensweise gegen netzpolitik.org nicht nur der Missbrauch von amtlicher Autorität, sondern ein Skandal. Spätestens dann gilt es daran zu erinnern, dass sich auf dem Boden unseres Grundgesetzes keine (Staats-)Gewalt im rechts- und kontrollfreien Raum befindet; auch sollten wir uns den Spiegel vorhalten, wenn wir „als Deutschland“ wieder einmal die mangelnde Pressefreiheit etwa in China oder Russland kritisieren. MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram

Feindliche Bürger

betr.: „Justizministerium stoppt Ermittlungen“, taz.de vom 4. 8. 15

Wer in so einem Fall Ermittlungen wegen Landesverrats einleitet, betrachtet den umfassend aufgeklärten Bürger als feindliches Land. Derart missbräuchliche Amtshandlungen dienen allein der Einschüchterung von Journalisten.

RAINER B., taz.de

Brecht & Tucholsky

betr.: „Justizministerium stoppt Ermittlungen“, taz.de vom 4. 8. 15

Es ist das Leidliche in Deutschland: A benutzt wissentlich die gewollte Unwissenheit. B empört sich und beide wurden von Brecht und Tucholsky kurz und treffend beschrieben:

„Da sind die Unbedenklichen, die niemals zweifeln. Ihre Verdauung ist glänzend, ihr Urteil ist unfehlbar. Sie glauben nicht den Fakten, sie glauben nur sich. Im Notfall müssen die Fakten dran glauben. Ihre Geduld mit sich selber ist unbegrenzt.“ (Brecht) Und: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“ (Tucholsky). aufhebend, taz.de

Der Büroleiter

betr.: „Designierter Generalbundesanwalt Frank“, taz.de vom 5. 8. 15

Ob Herr Frank als Büroleiter der ehemaligen bayerischen Justizministerin Beate Merk irgendwas von den unzähligen Skandalen und politischen Affären mitbekommen hat, in die seine Chefin verstrickt war? Ren Hoëk, taz.de

Netter alter Herr

betr.: „Mutiger Terrorjäger“, taz.de vom 5. 8. 15

Grundsätzlich wäre ich vorsichtig damit, meine Enkel jemandem anzuvertrauen, der so viel Macht hat(te) wie Harald Range. Für einen „Anfangsverdacht“ reicht es mir allemal, gelernt zu haben, wie Beförderung zustande kommt und was man hierzulande sein oder tun oder lassen muss, um in den Genuss gewisser Selektionen zu geraten. Die Rolle des liebenswürdigen älteren Herren hingegen sehe ich durchaus ein wenig skeptisch. Sie kann nämlich ebenso gut gefälscht sein, wie die Wikileaks-Dokumente. Wobei mir die Wahrscheinlichkeit, dass die tatsächlich echt sind, doch deutlich größer scheint. mowgli, taz.de