Berliner Szenen: Digga, dein Bauchnabel
Ein Rudel Jungs erobert den U-Bahn-Waggon. Jugendsprache wird benutzt. Die Autorin hört zu und lernt.
V ormittagsruhe in der U-Bahn. Ein Mann, Typ dicker türkischer Onkel, sitzt da, mit Lederjacke, breitbeinig. Rechts sein Handy, links eine Flasche „Hohes C“, die er so zärtlich im Arm hält wie ein Erstgeborenes.
Links neben der Tür sitzt eine Frau mit Kinderwagen, das Kind ist mit einer Packung getrockneter Äpfel beschäftigt. Es kramt darin rum, lutscht ab und zu an einem Stück, isst es auf oder tut es wieder in die Tüte, je nachdem. Manchmal nimmt es ein Stück Apfel, sagt „is kaputt“ und hält es der Mutter hin. Die Mutter isst es.
Am Fehrbelliner Platz steigt ein Rudel Jungs ein. Einer klappt ein Fenster möglichst laut zu, ein anderer zieht es wieder auf. „Mach zu, du Fotze“, sagt der erste. „Ey, du kleiner Splasher, wie talkst du mit mir!“, sagt der zweite. Dann lachen sie, das Fenster bleibt auf. Ich schreibe „Ey, du kleiner Splasher, wie talkst du mit mir“ in mein Notizheft. (Neulich dachte ich einen Tag lang, ich hätte das Heft verloren. Es war kein guter Tag. Ich dachte, ich hätte es in der S-Bahn liegen lassen. Wenn es jemand von der taz gefunden hätte, hätte sie oder er vielleicht eine Szene drüber geschrieben, aber, wie gesagt, ich habe es nicht verloren.)
„’sch fahr nur eine“, sagt einer der Jungs und steht auf. „Verpiss dich, du Fotze“, sagt einer, und der andere sagt: „Yo. Pass auf dich auf.“ Dann gucken die Übriggebliebenen Fotos auf ihren Smartphones an. „Was das?“, fragt einer. „Salbeiauflauf, Rezept“, sagt der, dem das Telefon gehört. „Digga“, fragt der eine, „geht dein Bauchnabel nach außen oder nach innen?“ – „Was Mann, zieh ich mich aus oder was?“, fragt der andere. „Nee, zeig mal, Vallah, ich will sehen, ob außen oder innen.“ – „Ja was denn ey!“ – „Na ja, zeig nicht so, zeig auf Foto!“ – „Zeig ich später“, sagt der erste, und steckt das Smartphone wieder ein.
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