Im Zweifel für den Henker

PAKISTAN Empörung über die Exekution eines Verurteilten, der bei der Tat minderjährig gewesen sein soll und dessen Geständnis mutmaßlich unter Folter erpresst wurde

Seine Familie trauert um den hingerichteten Shafqat Hussein Foto: Amiruddin Mughal/ dpa

von Sven Hansen

BERLIN TAZ | Am frühen Dienstagmorgen ist in einem Gefängnis der pakistanischen Wirtschaftsmetropole Karatschi internationalen Appellen zum Trotz Shafqat Hussein gehenkt worden. Der einstige Wächter war wegen der Ermordung eines siebenjährigen Jungen im Jahr 2004 von einem Antiterror-Gericht zum Tode verurteilt worden. Den Jungen soll er zuvor zur Lösegelderpressung entführt haben.

Husseins Hinrichtung war in diesem Jahr schon viermal verschoben worden. Es gab große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils, das vom Obersten Gericht im Juni bestätigt wurde. Da alle Gnadenersuche abgelehnt wurden, stand das Urteil damit nach dem Ende des Ramadans zur Vollstreckung an. Montagabend konnte seine Familie Hussein ein letztes Mal sehen.

Seitdem Pakistans Regierung Ende 2015 ein sechsjähriges Moratorium für Exekutionen beendet hatte, sind mindestens 193 Personen hingerichtet worden. Pakistan liegt damit unter den 22 Staaten, die 2014 überhaupt Todesstrafen vollstreckten, nach China und Iran auf Platz drei. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen warten 8.000 Verurteilte in Pakistans Todeszellen auf ihre Hinrichtung.

Der aus einer armen Familie in Kaschmir stammende Hussein war aber nicht irgendein Mörder. Sein Fall galt vielmehr nationalen wie internationalen Menschenrechtsorganisationen als Musterbeispiel für Verfehlungen und Ungerechtigkeiten der pakistanischen Justiz. Der mittellose Analphabet soll bei seinem ersten Verfahren Pflichtverteidiger gehabt haben, die sich nicht für ihn einsetzten. So sorgten sie nicht dafür, dass ein Gutachten sein wahres Alter feststellte. War Hussein laut Polizei zum Tatzeitpunkt 23 Jahre alt, spricht seine Familie von 14, ein Schuldokument von 17. Die Hinrichtung Minderjähriger widerspricht sowohl Pakistans Rechtsprechung als auch den internationalen Menschenrechts- und Kinderkonventionen.

Das Todesurteil basiert nur auf Husseins Geständnis. Das widerrief er später. Zudem soll er es überhaupt erst nach neuntägiger Folter unterzeichnet haben. Die Polizei bestreitet Folter. Seine Familie berichtet dagegen, dass sein Körper Verbrennungsspuren aufgewiesen habe. „Er hatte eine von Zigaretten verbrannte Schulter“, sagte sein Bruder Manzoor zu Reuters. „Seine Sprunggelenke waren mit heißen Metallstangen verbrannt worden.“ Folter durch Polizisten ist in Pakistan üblich. Nur selten ermitteln sie aufgrund ihrer schlechten Ausbildung professionell.

„Husseins Exekution ist eine Show politischer Macht“

NGO Reprieve

Zunächst schützte Hussein das Moratorium vor der Hinrich­tung. Doch im Dezember überfiel ein Kommando der pakistanischen Taliban eine von der Armee betriebene Schule in Pescha­ war und tötete 150 Menschen, zumeist Kinder.

Die Empörung war groß, Ministerpräsident Nawaz Sharif stand unter Druck. Die Regierung hob deshalb das Todesstrafenmoratorium wieder auf, zunächst nur für Terrorismus-Fälle, später für alle.

Seitdem konzentrierten sich Menschenrechtsorganisationen auf Husseins Fall. „Die Entscheidung der Regierung, die Exekution durchzuführen, ist mehr eine Show politischer Macht als dass sie etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat,“ erklärte die gegen die Todesstrafe kämpfende internationale Gruppe Reprieve. Ihre Anwälte hatten keinen Richter gefunden, der den Mut hatte, den Fall neu aufzurollen. Die Hinrichtung traf weltweit auf heftige Kritik.