Konrad Litschko über den neuen Zeitplan im NSU-Prozess
: Lieber gründlich als schnell

Nach all dem Gezänk auf der Verteidigerbank ist der Prozess wieder auf einem guten Weg

Und es hört nicht auf. Seit zweieinhalb Jahren und 224 Pro­zess­tagen wird in München bereits über die NSU-Verbrechen verhandelt. Ein Urteil? Nicht in Sicht. Im Gegenteil: Das Gericht hat am Dienstag nun die geplanten Verhandlungstage bis September 2016 verlängert.

Trotzdem: nur die Ruhe! Ja, die Planung bedeutet, dass die Richter nicht mehr mit einem Urteil innerhalb der bisherigen Terminierung rechnen – bis Mitte Januar kommenden Jahres. Der neue Zeitplan ist aber eine Reserve, eine Vorsichtsmaßnahme. Er bedeutet nicht, dass tatsächlich noch so lange verhandelt wird.

Und nach all dem Gezänk auf der Verteidigerbank ist der Prozess auf einem guten Weg. Am Dienstag wurde bereits wieder konzentriert verhandelt. Und die Beweisaufnahme ist weit gekommen: Alle zentralen Tatkomplexe, die Morde und Anschläge, sind abgearbeitet, die wichtigsten Zeugen angehört.

Jetzt geht es nur noch um Details. Die aber sind ebenso wichtig. Denn der Rechtsstaat muss sich auch für Kleinigkeiten Zeit nehmen, um Schuld ohne jeden Zweifel nachzuweisen. Umso mehr, wenn eine Revision gegen das Urteil und ein Neustart des Prozesses verhindert werden sollen. Das wäre noch viel weniger im Interesse der Opfer. Bisher hat die Gründlichkeit der Anklage genutzt: Niemand kann behaupten, dass die Vorwürfe gegen Zschäpe und die Mit­an­ge­klagten erschüttert wären.

Dass am Ende alle Fragezeichen im NSU-Komplex aufgelöst sein werden, darf dennoch bezweifelt werden. Deshalb ist es richtig, dass die Opfer­an­wälte noch einmal den Finger in die Wunde legten und beantragten, alle beim Bundesverfassungsschutz geschredderten Akten im Verfahren beizuziehen.

Und genauso richtig ist es, dass nach dem Sommer wohl ein zweiter NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag beginnt. Auch hier gilt: Gründlichkeit ist Pflicht bei solch ungeheuren Verbrechen.

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