Düsseldorf spielt wieder mit

Nach sechsmonatiger Sanierung hat am Freitag die Düsseldorfer Tonhalle wiedereröffnet. Rund 26 Millionen Euro hat die Stadt in den Umbau gepumpt. Und nun ist das Wunder endlich vollbracht: Der ominöse Klopfgeist hat offenbar das Weite gesucht

VON REGINE MÜLLER

Es sah so aus, als würde die Landeshauptstadt als Musikstandort allmählich zum Schlusslicht der Region werden. Die Düsseldorfer Tonhalle, zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung anno 1978 noch allein auf weiter Flur, sah sich in den vergangenen Jahren immer dichter umzingelt von Konzertsälen, die neuer, schöner, größer und vor allem akustisch brillanter sind: erst kam die Kölner Philharmonie, dann das Dortmunder Konzerthaus, schließlich die Philharmonie in Essen.

Der architektonische Reiz des Düsseldorfer Kuppelbaus, der die Rundform seiner Vergangenheit als Planetarium verdankt, war zugleich sein akustisches Problem: große Orchester klangen muffig und wenig brillant, Kammermusik hatte mit einem rätselhaften Echo, dem so genannten Klopfgeist zu kämpfen. Seit Jahren wurde emsig gemessen, begutachtet und gebastelt, um den lästigen Geist zu vertreiben, doch die Kuppel blieb rund, und der Geist wollte nicht gehen. Je mehr sich die heimischen Symphoniker über die schlechten Entfaltungsmöglichkeiten beschwerten und je öfter es vorkam, dass große Orchester bei ihren Tourneen den Saal links liegen ließen, desto deutlicher wurde, dass der Klopfgeist sich allmählich zum kulturpolitischen Problem auswuchs.

Doch was war zu tun mit einem runden Saal, von dem man sich die Akustik eines eckigen Saals wünschte? Nichts Geringeres als die Quadratur des Kreises. Und genau das ist nun tatsächlich geschehen und wundersam geglückt. Eine Grundsanierung war ohnehin fällig, das Gebäude musste den seit dem Flughafenbrand verschärften Brandschutzanforderungen angepasst werden, Asbestsanierung und Erneuerungen der technischen Anlagen waren unaufschiebbar. Und wo man einmal bei der Arbeit war, wagte man sich auch an die Akustik heran.

Niederländische Akustiker brachten es auf den Punkt: die Kuppel kann niemals klingen, der Klang braucht gerade Flächen und Winkel, um sich wünschenswert zu brechen. Und so zauberten sie einfach die Kuppel weg und einen vielfach gefalteten Raum mit zahllosen Umlenkkörpern hin. Tatsächlich ließen sie die Kuppel nur akustisch verschwinden, indem sie die Holzvertäfelung durch ein für Schallwellen transparentes Metallgewebe austauschten. Der Klang kann dort ungehindert hindurch und bricht sich an genau austarierten Umlenkkörpern.

Das Ergebnis des Rechenkunststücks ist in jeder Hinsicht phänomenal: Als die Düsseldorfer Symphoniker mit opulentem Programm den Saal am Freitagabend in Besitz nahmen, übertrafen akustische und optische Effekte die kühnsten Hoffnungen. Der Saal wirkt völlig verändert, scheint weiter, höher und luftiger zu sein, der Muff der matten Brauntöne ist einem kühlen Blau gewichen, das dem Raum ungeahnte Tiefe verleiht. Den Blick zieht es hinauf in die Kuppel, die ein neuer Leuchtkranz weitet, der Schalldeckel hat durch neue Intarsien seine alte Plumpheit verloren, die Bühne ist merklich größer und greifbar nahe. Bei Dunkelheit erinnern einzelne Lichtpunkte an den Sternenhimmel des alten Planetariums, zugleich ein Gefühl, als säße man unter freiem Himmel.

Doch die eigentliche Sensation ist die Akustik: es klingt transparent, mit leichtem Nachhall, ungemein präsent, doch nicht knallig. Die Streicher tönen luxuriös und sämig, das Holz brillant, das Blech metallisch ohne Dröhnfaktor. Gottseidank: Der ganze Spaß hat die Stadt Düsseldorf nämlich 26 Millionen Euro gekostet, die größte Einzelinvestition in diesem Jahr. Die Akustik verschlang dabei den kleinsten Anteil. Erntete dafür aber den größten Effekt, denn das akustische Wunder macht aus der Tonhalle wieder eine erste Adresse.