: Wie der Jazz nach Indien kam
Wassermusik Bis 1961 war Goa eine portugiesische Kolonie. Was aus dem musikalischen Erbe der Kolonialmacht geworden ist? Konkani-Pop. Zu hören am Samstag beim Festival „Wassermusik“
Von Goa bis Bombay ist es für indische Verhältnisse nicht weit. Schon in den 30er Jahren fuhren goanische Musiker oft in die Filmmetropole Bombay. Dorthin waren damals Jazzer aus Amerika eingeladen worden, um in den Hotels für betuchte Kunden zu spielen, vor allem in der Luxusherberge „Taj Mahal“.
Die Zaungäste aus der damaligen portugiesischen Kolonie Goa waren schnell fasziniert von diesen Klängen – und hatten den sehnlichen Wunsch, mitzuspielen. Der Journalist Naresh Fernandes hat diese Geschichte für sein Buch „The Story of Bombay’s Jazz Age“, recherchiert und berichtet darüber am Samstag auf dem Festival „Wassermusik“ im Haus der Kulturen der Welt (HKW): „Die Gäste aus Amerika haben den lokalen Kollegen aus Goa im Prinzip beigebracht, wie man Jazz spielt. Sie waren wiederum stark an allem interessiert, was mit Mahatma Gandhi zu tun hatte.“
Fernandes kommt auf Einladung des HKW und der Indien-Kennerin Sigrid Pfeffer. Sie hat zudem indische Musiker überredet, als „Konkani Goan Allstars“ ihr deutsches Konzertdebüt zu geben. Die Formation wird am Samstag Klassiker der Konkani-Musik, namentlich von Chris Perry und Lorna, neu interpretieren.
Nach ihrem Konzert gibt’s die Lovestory zwischen dem Konkani-Traumpaar Chris Perry und Sängerin Lorna auch als Film. „Lets Dance to the Rhythm“ erzählt nebenbei auch die Geschichte der Konkani-Musik, beginnend im Jahr 1964, drei Jahre nach dem Ende der Kolonialzeit.
Konkani-Musik hat sich aus den Cantaras entwickelt, Liedern, die einst im Theater gespielt worden waren. Die Einflüsse reichen zurück bis ins 16. Jahrhundert, als Portugals Seeflotte Goa erobert hatte. Christliche Missionare wollten über die Musik die Hindu-Bevölkerung erreichen. Sigrid Pfeffer sagt, die Musik aus Goa unterscheide sich von anderen indischen Regionen dadurch, dass sie verschiedene Traditionen hat. Sowohl westliche als auch hinduistische, die sich im Lauf der Jahrhunderte auch miteinander vermischt haben. „Und es entstanden neue Varianten religiöser, populärer und auch volkstümlicher Musik.“
Ungewöhnlicher Stilmix
Ein Festival mit dem Anspruch, ganz Indien und die Diaspora halbwegs abzudecken, braucht auch einen Bhangra-Act. Fast 15 Jahre nachdem Panjabi MC in Deutschland mit „Mundian to Bach Ke“ einen Superhit landen konnte, kommen am Freitag Swami nach Berlin – mit ihrem Mix aus Dhol-Drums, Hip-Hop, Breakbeats und viel Bass. Die Band um den Londoner Produzenten Diamond Duggal alias DJ Swami hat sich längst als feste Größe der internationalen Szene etabliert.
Noch ungewöhnlicher wird der Stilmix bei der New Yorker Band „Red Baraat“. Zur Dhol-Trommel kommen Posaunen. Nordindische Beats treffen auf alles, was man zwischen Jazz und HipHop in Brooklyn 2015 vermutet. Ihre Musik erzählt die Geschichte einer ganz speziellen musikalischen Globalisierung – die in den 30er Jahren in Bombay ihren Anfang genommen hat. Stefan Müller
25. + 26. Juli, HKW, Programm unter www.hkw.de
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