„Der Bezirk verbreitet Lügen über uns“

BEWOHNER Seit der Räumung des Camps am Oranienplatz wohnt Alnour in der Gerhart-Hauptmann-Schule. Im letzten Sommer besetzte er mit anderen Aktivisten das Dach. Er kritisiert die Pläne des Bezirks, in dem Haus eine reguläre Unterkunft einzurichten

Alnour ist einer von 24 Bewohnern, die derzeit in der Gerhart-Hauptmann-Schule leben. Er möchte bleiben Foto: Christian Mang

Ich bin mit dem Protestmarsch der Flüchtlinge von Würzburg nach Berlin gekommen, wir haben im Herbst 2012 erst den Oranienplatz und dann, als es zu kalt wurde, die Schule besetzt. Es wurde schnell schwierig mit der Organisation in der Schule, es haben bis zu 300 Menschen dort gewohnt, da ist es schwer, die Kontrolle zu behalten. Wir Aktivisten haben versucht, das zu regeln, aber wir haben es nicht immer geschafft, wir hatten ja auch mit dem eigentlichen Protest viel zu tun.

Jetzt, wo wir nur noch so wenige Bewohner sind, haben wir schon lange keine Probleme mehr, wir sind gut organisiert. Es ist zwar schwierig, dass wir nur eine Dusche haben, aber wir haben keine Konflikte deswegen. Am meisten stört die Isolation, dass der Bezirk uns verboten hat, Besucher zu empfangen. Das ist schlecht, vor allem weil wir gute Kontakte zu den Nachbarn haben. Wir treffen uns jede Woche mit der Nachbarschaftsinitiative, aber wir müssen diese Treffen eben außerhalb machen.

Die Zeit auf dem Dach

An die Dachbesetzung erinnere ich mich sehr gut: Wir haben uns dafür entschieden, weil wir keine andere Chance gesehen haben. Es war klar, dass wir nicht in ein Lager gehen, die Abschaffung der Lager war von Anfang an eine unserer wichtigsten Forderungen. Wir haben gesagt: Jeder kann sich entscheiden, wer gehen will, geht, die anderen bleiben und kämpfen weiter. Für mich war es hart zu sehen, wie viele gegangen sind, auch wenn ich verstehe, warum sie das getan haben.

Die Zeit auf dem Dach war schlimm, wir haben höchstens zwei Stunden pro Nacht geschlafen, wir hatten immer Angst, dass sie uns gleich räumen. Einige von uns konnten am Ende nicht mehr, sie haben die Angst und den Stress nicht mehr ausgehalten. Dann haben wir die Vereinbarung mit dem Bezirk unterschrieben und sind vom Dach gekommen. Wir dachten, jetzt könnten wir unser Flüchtlingszentrum verwirklichen und hätten Unterstützung dafür. Aber so war es nicht. Immer wieder hat der Bezirk gedroht, uns zu räumen. Bisher ist das zwar nicht passiert, aber die Bewohner, die nicht Teil des Gerichtsverfahrens waren, wurden nicht mehr reingelassen, das war eine stille Räumung.

Geld für das Zentrum

Mit der Diakonie haben einige von uns schlechte Erfahrungen gemacht, denn bei dem Streit um den Oranienplatz war sie immer auf der Seite vom Senat. Warum gibt es keine anderen Organisationen, die etwas mit diesem Gebäude machen wollen? Wir wissen auch nicht, wie wir alleine das Geld für unser Zentrum organisieren sollen. Aber wir verhandeln trotzdem mit der Diakonie, es ist nicht so wie mit dem Bezirk, dem vertrauen wir gar nicht mehr und der redet auch nicht mehr mit uns. Wir müssen sehen, was die Diakonie uns anbieten kann, ob wir uns einigen können. Aber dass das gesamte Haus ein normales Lager wird, werden wir nicht zulassen, wir wollen unser Zentrum.

Alnour

29, floh 2012 vor dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland Sudan. Sein Asylverfahren ist bisher nicht abgeschlossen.

Der Bezirk verbreitet Lügen über uns, zum Beispiel, dass wir in der Schule Feuer machen würden. Das stimmt nicht, wir kochen ganz normal an einem Herd. Mit den Security-Männern ist es unterschiedlich, manche sind sehr streng, mit manchen verstehen wir uns gut.

Ich bin nach Deutschland gekommen, um ein Leben führen zu können, ich will eine Perspektive haben. Die Unterstützung, vor allem aus der Nachbarschaft, ist sehr wichtig für uns. Wir werden nicht aufhören, manche von uns werden müde, aber andere haben noch Kraft. Protokoll: Malene Gürgen