Die „Professoren-Lüge“

Wird durch Studiengebühren die Betreuung an den Unis besser? Mehr Professoren dürfen laut Bundesgesetz schon mal nicht eingestellt werden, sagt die Opposition im niedersächsischen Landtag

von Eiken Bruhn

Eine Hürde nach der anderen baut sich auf vor dem niedersächsische Studiengebührengesetz, das noch im Dezember vom Landtag verabschiedet werden soll. Erst musste Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) von seinem Plan abweichen, zum nächsten Wintersemester die Studierenden zur Kasse zu bitten. Der Grund: Die Studierenden müssen ein Jahr im Voraus informiert werden. Deshalb trifft es im nächsten Herbst nur die Erstsemester, alle anderen zahlen erst ab Sommersemester 2007. Auch aus dem „Gebührenkorridor“ von 300 bis 500 Euro pro Semester – den die Hochschulen selbst sollen festlegen können – wurde nichts, da dann der Gleichheitsgrundsatz außer Acht gelassen würde.

Jetzt bröckelt ein weiteres Steinchen aus dem Gebühren-Traumschloss. Anders als von der Landesregierung behauptet, könne durch die Einnahmen aus den geplanten Studiengebühren kein zusätzliches Personal eingestellt werden, um das Betreuungsverhältnis an den Hochschulen zu verbessern, kritisiert die Opposition im niedersächsischen Landtag. „Die Professoren-Lüge ist entlarvt“, sagte die hochschulpolitische Grünen-Sprecherin Gabriele Heinen-Kljajic. Der Grund: Die schwarz-gelbe Regierung musste die bundesweit gültige, so genannte Kapazitätsverordnung in ihrem neuen Gesetzentwurf berücksichtigen. Danach müssen die Hochschulen auch mehr Studierende zulassen, wenn sie mehr wissenschaftliches Personal einstellen. Ein Nullsummenspiel.

In Baden-Württemberg hatte diese Einsicht dazu geführt, dass das Ministerium es den Hochschulen im August schwarz auf weiß gegeben hatte: „Danach ist es nicht möglich, durch zusätzliche Professoren (oder andere Wissenschaftler) die Betreuungsrelation zu verbessern.“ So würde man es in Niedersachsen nicht formulieren wollen, sagt die Sprecherin des Wissenschaftsministeriums, Meike Ziegenmeier. Sie räumte aber ein, dass es nicht möglich sein wird, eine überlaufene Lehrpflichtveranstaltung doppelt anzubieten, weil das bedeuten würde, dass man auch doppelt so viele Studierende aufnehmen müsste.

Den Vorwurf von SPD und Grünen, den Studierenden Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne ihnen dafür etwas zu bieten, will die Sprecherin nicht gelten lassen. „Die Lehre wird sich verbessern, weil die Hochschulen mehr Tutorien und vertiefende Seminare anbieten können“, so Ziegenmeier. Diese Zusatzangebote, die mit studentischen Hilfskräften und Lehrbeauftragten bestritten würden, seien von der Kapazitätsverordnung ausgenommen. Das Problem sei aus Ministeriumssicht auch weniger die überfüllte Vorlesung als die fehlende Möglichkeit, den Stoff aus den Vorlesungen anschließend in kleineren Gruppen zu bearbeiten, sagt die Sprecherin.

Für die Grünen ist das Gesetz ungeachtet dessen eine „Schlampigkeit auf ganzer Linie“. Sie forderten im Einklang mit der SPD, das Gesetz zurückzuziehen. Beide Parteien erwarten erfolgreiche Klagen von Studierenden. Minister Stratmann habe „mit dem Studiengebührengesetz ein bürokratisches Monstrum vorgelegt, das vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird“, so die hochschulpolitische Sprecherin der SPD, Gabriele Andretta.