Ex-Sponti-Birkenstock-Musiker

Ein rauschendes Fest zum 25-jährigen Jubiläum der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen: mit Anekdoten aus der Orchester-Vollversammlung und Kleiner Nachtmusik im Rotationsprinzip

Bremen taz ■ Ein hinreißender Abend im großen Saal der Glocke: Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen feierte ihr 25-jähriges Bestehen. Und demonstrierte mit einem bunten Gemisch aus Operetten, Opernouvertüren, Sinfonien, Solokonzerten, Arien und vielem einmal mehr: Musizieren macht Spaß.

Vor 25 Jahren beschlossen einige „Studentenspontibirkenstock-MusikerInnen“ (so der Conferencier Pago Balke), ein demokratisches Alternativmodell zu den Staatsorchestern zu entwickeln. Es wurde in Wyk auf Föhr gegründet und gab sich eine Satzung, die bis heute gilt: Jede MusikerIn ist Mitglied der GmbH und damit verantwortlich für die Finanzen. Das Orchester überstand Höhen und Tiefen in Berlin, Freiburg und Frankfurt und kam 1992 nach Bremen. Es lebt trotz inzwischen weitgehend zuverlässiger Förder- und Spendengelder noch immer mit dem existentiellen Risiko. Denn über 60 Prozent des Etats werden auf den großen Welttourneen eingespielt. Für die MusikerInnen heißt das, ihr Niveau nicht nur halten, sondern ständig steigern zu müssen.

Die Spezifik des Orchesters, die jeweilige Epoche mit Fachdirigenten aus eben dieser Epoche einzustudieren, veranlasste einen New Yorker Kritiker zu der Bemerkung, man habe für einen Preis an einem Abend drei verschiedene Orchester gehört.

Auch Basisdemokratie bringt Konflikte mit sich, in den Vollversammlungen gibt es bisweilen so viele verschiedene Meinungen wie MusikerInnen. Ein Punkt ist bis heute kontrovers geblieben: Die Programmgestaltung muss sich weitgehend nach der Verkaufbarkeit richten.

Im Jubiläumsprogramm schlug sich das etwa in gerade mal 45 Sekunden Musik aus dem zwanzigsten Jahrhundert nieder. Balke ironisch: „Ich fand’s gar nicht so schlimm.“ Immerhin sind diese 45 Sekunden aus op. 5 von Anton Webern nun auch schon achtzig Jahre alt.

Als Mozarts „Kleine Nachtmusik“ reichlich gemächlich anhebt, springen die zweiten Geigen auf: „Zu langsam!“ Man tauscht. Man tauscht ein zweitens Mal, einige GeigerInnen nehmen die Bratschen: Eins der künstlerischen Prinzipien im Orchester ist das der Rotation.

Namhafte Ensembles sind aus dem Orchester entstanden, das „Antares-Ensemble“ etwa, dessen sechs fabelhafte Schlagzeuger unter der Leitung von Stefan Rapp auf allem Musik machen, was sie finden: Hier waren es Kartons.

Angefangen hat die Kammerphilharmonie mit einzelnen Dirigenten für einzelne Projekte, mit Thomas Hengelbrock wurde zum ersten Mal ein künstlerischer Leiter für vier Jahre gewählt. Der kam nun zurück und leitete mit Inbrunst den Abend: unerhört der Drive in Dvoraks neunter Sinfonie und ausgefeilt die Stimmungen in Verdis Ouvertüre „Die Macht des Schicksals“. Mit dem Engagement von Daniel Harding und noch mehr mit dem von Paavo Järvi meldete man den Anspruch auf die Weltklasse an.

Mit zahlreichen Projekten haben sich die MusikerInnen in die Herzen der BremerInnen gespielt, der Kreis um die Deutsche Kammerphilharmonie ist familiär zu nennen. Dazu gehört dann auch, dass die Geschicke des Orchesters nach verschiedenen Versuchen heute nicht ein Spitzenmanager leitet, sondern der ehemalige Kontrabassist Albert Schmitt „aus Emtinghausen“ (Balke). Dass der trotzdem noch Kontrabass spielen kann, durfte er im Konzert auch zeigen. „Sommer in Lesmona“, Familientage, Cross-Over-Projekte, eine zweite Konzertreihe, Kammermusik im Sendesaal, Schulprojekte und vieles andere sichern den Musikern nicht nur heute ihre Existenz, sondern fordern sie auch zu stets neuen Ideen heraus. Der Jubel wollte kaum ein Ende nehmen.

Ute Schalz-Laurenze