LeserInnenbriefe
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Eine Plage namens „IGEL“

betr.: „Schwanger … wie krank ist das denn?“, taz vom 28. 7. 15

„IGEL“, diese teuren individuellen Gesundheitsleistungen, die die Ärzte sich gern cash bezahlen lassen, sind nicht nur für Schwangere eine Plage. Die letzten beiden Male, da ich wegen konkreter Beschwerden einen neuen Facharzt aufsuchte, passierte es mir jedes Mal, dass Arzt und Ärztin viel mehr Zeit darauf verbrachten, mir diese Leistungen anzupreisen, als sich mit meiner Krankheit zu befassen. Augenarzt: Es seien ja meine Augen, und ich müsste natürlich selbst entscheiden, ob ich darauf verzichten wolle, diese wichtigen Untersuchungen machen zu lassen …

Am härtesten aber war die Frauenärztin. Nachdem ich am Empfang diese vehement aufgedrängten Leistungen abgelehnt hatte, bedrängte sie mich noch im Untersuchungsstuhl, bis ich schließlich genervt einwilligte. Ich fürchtete nämlich, sie würde sonst meine konkreten Beschwerden gar nicht behandeln. Eine Beschwerde bei der Krankenkasse brachte auch nicht viel. Einzige Idee für die Zukunft: vielleicht direkt erklären, man sei in Insolvenz und dürfe keine IGEl-Leistungen kaufen … Patienten/Arzt-Vertrauensverhältnis: Fehlanzeige

HEIKE JELLEN, Düsseldorf

„Perfekte“ Kinder

betr.: „Schwanger … wie krank ist das denn?“, taz vom 28. 7. 15

Es geht nicht mehr primär um die Gesundheit von Babys. Mittlerweile geht es darum, ein „perfektes“ Kind haben zu wollen. Eines Tages werden Intelligenztests im Mutterleib durchgeführt. Dieser Perfektionswahn ist einfach schrecklich.

JULIA ENGELS, Elsdorf

Strauß war niemals ein Nazi

betr.: „Mythos: Autsch“, taz vom 27. 7. 15

Dass euer Rezensent meinen Strauß-Film („Der Primus – Franz Josef Strauß“, am 27. Juli in der ARD gesendet) nicht mögen kann, weil er Strauß ganz abscheulich findet, ist einsichtig; dass er dabei aber aus mir eine Art Hymnensänger der CSU macht, ist angesichts meiner Geschichte und meiner Arbeit eine ziemlich ehrverletzende Frechheit.

Was mich aber darüber hinaus wirklich empört, ist, dass beim bloßen Stichwort „Strauß“ immer noch nach pawlowscher Art ein ganzer Komplex von Ressentiments, abgelagerten Gewissheiten und bequemen Irrtümern anspringt. Es gibt hundert gute Gründe, politisch gegen Strauß (gewesen) zu sein, und ich kenne die meisten; aber ihr solltet dabei zumindest nicht mit alten, abgestandenen Lügen operieren. Es sind Lügen, die von Autoren wie Bernt Engelmann seinerzeit wohl unwissentlich verbreitet wurden; er ist eben den Fälschungen der Stasi auf den Leim gegangen. Dass aber die taz 35 Jahre später aus derselben, längst trockengelegten Quelle zu schöpfen versucht, erschreckt mich doch.

Ob aber und wie Franz Josef Strauß „wehrgeistige Vorträge“ gehalten hat, ist in allen jüngeren biografischen Arbeiten über ihn, auch den kritischen (unter anderem bei Wolfram Bickerich, aber auch in meiner bei Rowohlt erschienenen Strauß-Biografie) untersucht und beschrieben worden. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Strauß war tatsächlich niemals ein Nazi, also auch niemals ein Mann „mit handfester Nazi-Vergangenheit“ – obwohl ich begreife, dass gerade dies das erwünschte Bild perfekt abrunden würde.

Ich habe mich bemüht, in meinen Büchern und Filmen – auch jetzt bei „Der Primus“ – einen möglichst hohen Annäherungswert an die historische Wahrheit zu finden, soweit man sie kennt, unabhängig von meinen privaten Vorstellungen; das setzt allerdings die Bereitschaft voraus, die eigenen „Gewissheiten“ notfalls zu revidieren – was allerdings, psychologisch betrachtet, ein äußerst unangenehmer Vorgang ist, der massiven Widerstand auslöst. Wenn man sich einmal eingerichtet hat in seinen stabilen Vorurteilen und gemütlichen Lügen, ist’s offenbar schwer, auf- und umzuräumen.

Vielleicht aber hilft dabei, was Gramsci über „Revolution und Wahrheit“ geschrieben hat, während er im Gefängnis saß.

WERNER BIERMANN, Bad Münstereifel

Populistisch und plump

betr.: „Auf die harte Tour“, taz vom 29. 7. 15

Dass die CSU schnellere Abschiebungen für Menschen vom Balkan fordert, verwundert mich mittlerweile eigentlich gar nicht mehr. Aus CSU-Reihen kommen ständig solche Vorschläge. Dass jedoch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Kretschmann mit in dieses Horn bläst, ist mehr als beschämend. Ein entschiedenes Entgegentreten gegen diese Ansicht sollte nun von der Grünen-Bundesspitze erfolgen. Diese Ansichten sind populistisch und plump. Jeder sollte wissen, dass Menschen vom Balkan des Öfteren flüchten, da sie einer Minderheit angehören und nicht frei und sicher dort leben können, auch wenn es sich auf dem Papier offiziell um Demokratien handelt. Dass gerade Bayern und Baden-Württemberg als die wohlhabendsten Bundesländer in Deutschland solch eine unwürdige Abschiebepraxis befürworten, macht einfach nur fassungslos.

ADRIAN KNIRLBERGER, Jena