Die berühmte Frage: Was will die Frau?

Tanzkomödie „Magic Mike XXL“ lässt sich als ein Stück amerikanischen Sozialrealismus lesen

Channing Tatum als Mike Foto: Warner Bros. Entertainment

Sich für Geld auf einer Bühne auszuziehen gilt nicht als respektable Methode des Broterwerbs. Nein, er sei kein „Stripper“, hört man den von Joe Manganiello verkörperten „Big Dick“ Richie in „Magic Mike XXL“ mehrfach beteuern; er sei ein „male entertainer“. Der Unterschied ist ihm nicht etwa aus „sittlichen“ Gründen wichtig ist, sondern aus denen des Prestiges. Wo der Stripper seine bloße Haut verkauft, aus purer materieller Notwendigkeit, hält sich der „Entertainer“ als Künstler aus der sozialen Hierarchie heraus. Allein schon, dass es um solche Fragen ging, um Fragen des Sozialprestiges, der Selbstausbeutung und des „Werts“ der eigenen Arbeit, machte Steven Soderberghs „Magic Mike“ aus dem Jahr 2012 zu einem bemerkenswerten Film.

Die Handlung rund um Channing Tatums Titelfigur „Magic Mike“ war übersichtlich: Er spielte einen jungen Mann in Florida, dem für die Eröffnung einer eigenen Tischlerwerkstatt nicht die nötigen Kredite gewährt werden, der dann bei einer männlichen Strippergruppe anheuert, was seinem Selbstbewusstsein einen derartigen Schub verleiht, dass er schließlich sogar das spröde Mädchen erobert. Zwischendurch gab es Showeinlagen, in denen vor allem Matthew McConaughey als Dallas demonstrierte, dass man nicht tanzen können muss, wenn man über genügend Narzissmus verfügt, um als Stripper erfolgreich zu sein.

Die Handlung von „Magic Mike XXL“ – dieses Mal führt Soderberghs langjähriger Assistent Gregory Jacobs Regie, während Soderbergh unter seinen bekannten Pseudonymen für Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnet – ist noch übersichtlicher: Channing Tatums Mike, inzwischen zwar mit eigener Werkstatt, aber wieder Single, lässt sich von den alten Freunden dazu überreden, noch einmal mitzumachen bei einem letzten Auftritt auf einer Convention. Der soll natürlich was ganz Besonderes werden, weshalb die Männer „on the road“ viel über das Wie und Was diskutieren. Das Resultat der Auseinandersetzungen bildet dann der fast viertelstündige Showdown am Ende des Films ab.

Ähnlich wie schon beim Original fällt es schwer, „Magic Mike XXL“ als das zu genießen, was er behauptet zu sein, nämlich ein Unterhaltungsfilm, der den weiblichen Blick bedient. Das mag zum einen daran liegen, dass die Art des Entertainments, um die es geht, in etwa so amerikanisch ist, wie Bierzelte deutsch sind. Wenn man live dabei wäre, könnte man vielleicht ins obligatorische Gekreische einsteigen, so wie Japaner auf dem Oktoberfest mitschunkeln. In seiner abgefilmten Form aber eignet dem Spektakel etwas Peinliches. Und das liegt nicht an der Sexualisierung des männlichen Körpers, die hier vorgeblich „endlich einmal“ stattfindet. Es liegt eher an dem geheuchelt erscheinenden, kollektiven Vergnügen des weiblichen Publikums, dem so lautstark Ausdruck verliehen wird.

Aber wie bereits das Original bietet auch „MM XXL“ daneben andere Ebenen an, den Film interessant zu finden. Wieder lässt sich die Geschichte als ein Stück amerikanischen Sozialrealismus lesen, schließlich reisen die Männer anfangs in einem „Food Truck“ und sind Teil dessen, was man hierzulande Prekariat nennen würde. Als US-Amerikaner aber besprechen sie obsessiv ihre nächsten Geschäftsideen (eine Kombination aus Frozen Yoghurt und Yoga verkaufen?). Mehr noch als im ersten Film ist das männliche Selbstverständnis Thema: Unter dem manchmal allzu locker geschriebenen Jungsgeplänkel finden sich berührende Fragmente reinen Männerkitschs, in denen die trainierten Kerle von Zurückweisungen in der Liebe und den Schwierigkeiten, die richtige Frau zu finden, berichten.

Am interessantesten ist aber der Film in seinem behaupteten Thema: herauszufinden, „was Frauen wollen“.

Völlig ironiefrei zeigt der Film, dass der beste Weg dazu darin besteht – Überraschung! –, Frauen zu fragen. Die Umsetzung der Antworten bekommt man wie gesagt als fertige Show in den letzten Minuten präsentiert. Es ist mal wieder eine echte Probe aufs Exempel dessen, dass Wunsch­erfüllungen sich so oft wie Bestrafungen anfühlen. Barbara Schweizerhof

„Magic Mike XXL“. Regie: Gregory Jacobs. Mit Channing Tatum, Matt Bomer u. a. USA 2015, 115 Min.