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„Betrug und Boshaftigkeit“

DORF-ROMAN Wie es hinterm Elbdeich zugeht: Jens Römstedt liest aus „Orkan über Reiderfleth“

Jens Römstedt

Foto: Miguel Ferraz

73, seit über 20 Jahren Altonaer, absolvierte eine Schiffbaulehre und landete schließlich beim Messebau. 2002 veröffentlichte er „Orkan über Reiderfleth“, 2012 erschien, ebenfalls im Selbstverlag, „Glasbrot“.

taz: Herr Römstedt, ihr Roman „Orkan über Reiderfleth“ erschien zuerst 2002, die letzte Auflage ist acht Jahre alt. Worum geht es in einem „Roman eines Dorfes von der Idylle bis zur Katastrophe“, wie es im Untertitel heißt?

Jens Römstedt: Ich schreibe über die Einzelschicksale der Bewohner eines hinter dem Elbdeich gelegenen fiktiven Dorfes: Betrug und Boshaftigkeit sind an der Tagesordnung. Unglücksfälle und unsaubere Familienverhältnisse werden dennoch hartnäckig verschwiegen.

Ihre Erzählhaltung ist dabei nicht unparteiisch: Die Geschichte ist voll ironischen Humors.

Ich glaube, Schwächen ungeschönt aufzuzeigen, führt zwangsläufig dazu, dass die Welt ironisiert da steht.

Der Roman ist in einem gekonnten, an Joseph Roth oder auch Thomas Mann geschulten Erzählstil und mit Verve geschrieben. Trotzdem haben 35 Verlage ihn abgelehnt.

Die Verlage haben wohl alle Hände voll zu tun mit dem Testen unaufgefordert eingesandten Materials. Da schreibt dann ab und an mal ein Praktikant eine vorgefertigte Absage, ohne auch nur eine Zeile eines Manuskripts gelesen zu haben, nehme ich an. Dann denke ich an Charlotte Roche: „Feuchtgebiete“ funktionierte ja sicher auch nur, da die Autorin bereits als Moderatorin bekannt war – und zudem über Erotik schreibt.

Sie selbst sind erst mit 60 Jahren zum Schreiben gekommen: Sie fingen an, Briefe mit Geschichten an ihre Schwester zu schreiben.

Ich stamme aus einem einfachen Haushalt. Mein Vater, beinamputierter Kriegsversehrter aus dem 1. Weltkrieg, schlug mich mit seinem Gehstock. Er war jähzornig und verbittert. Meine Mutter starb, als ich zwei Jahre alt war. Ich hatte denkbar ungünstige Voraussetzungen, zur Literatur zu finden. Dennoch hatte ich Glück.

Inwiefern?

In Anlehnung an eine meiner literarischen Figuren aus „Orkan über Reiderfleth“, den „Dummen“, fand sich ein Ziehvater, der mich an die Literatur heranführte. So entwickelte ich durch das Lesen der Bücher, die er mir zusteckte, Neugier auf immer mehr Bücher.

Interview: Katja Lah

Lesung: 21 Uhr, El Brujito, Amundsenstraße 25. Eintritt frei