Angst vor der K-Frage

SPD Soll die Partei aufs Kanzleramt verzichten? Kein Witz. Sondern die neueste Idee aus der SPD

BERLIN taz | Ein Vorschlag von Schleswig-Holsteins sozialdemokratischem Regierungschef Torsten Albig sorgt in der SPD für Empörung: „Der Gedanke ist völlig abwegig, dass die SPD ohne Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2017 gehen könnte“, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Freitag dem Spiegel. Die große Koalition sei eine Veranstaltung auf Zeit. Ähnlich äußerten sich andere führende Sozialdemokraten.

SPD-Ministerpräsident Albig hatte zuvor in einem Interview Kanzlerin Angela Merkel gelobt. Außerdem deutete er an, seine Partei könne 2017 auf einen Kanzlerkandidaten verzichten. Es sei schwer, die Wahl 2017 gegen die Kanzlerin zu gewinnen, sagte Albig. Entsprechend könne die SPD als Wahlziel auch die Regierungsbeteiligung definieren: „Ob die Bezeichnung ‚Kanzlerkandidat‘ noch richtig ist oder nicht, das werden wir sehen.“

Diese Sätze versetzten die Genossen in helle Aufregung. Die stolze Volkspartei soll von vornherein aufs Kanzleramt verzichten und sich einer CDU-Frau andienen? SPD-Bundesvize Ralf Stegner twitterte betont selbstbewusst: „Regierungsdominanz trotz 25 Prozent schon jetzt, Ziel bleibt Kanzleramt!“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bekannte sich demonstrativ zu Parteichef Sigmar Gabriel. „Ein überzeugender Spitzenkandidat mit einem überzeugenden Team ist die beste Antwort auf die politische Konkurrenz“, sagte Weil dem Handelsblatt. „Sigmar Gabriel ist die unumstrittene Nummer eins der SPD.“ Im Moment spricht viel dafür, dass Gabriel die Kanzlerkandidatur im Wahlkampf 2017 übernimmt.

Auch Juso-Chefin Johanna Ueker­mann widersprach Albig engagiert: „Merkel macht keinen guten Job“, sagte sie der taz. Sie denke dabei an die gescheiterte Sparpolitik in Griechen­land, an die verfehlte Flücht­lingspolitik oder Merkels ungutes Bauch­gefühl zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Uekermann betonte: „Statt weiter Juniorpartner sein zu wollen, müssen wir endlich den Weg für Rot-Rot-Grün bereiten.“

Albigs TV-Interview traf auch deshalb einen wunden Punkt in der SPD, weil seine Analyse in weiten Teilen ehrlich ist. Führende Sozialdemokraten verzweifeln seit Langem daran, dass die Partei in Umfragen wie betoniert bei schwachen 25 Prozent verharrt. Ebenso ist allen klar, dass auch Merkels Beliebtheit dafür verantwortlich ist, dass die Union in Umfragen mehr als 15 Prozentpunkte Vorsprung hat. Ulrich Schulte