Schleswig-Holstein knickt ein

Flüchtlings-Unterkunft

Bisher herrschte in vielen Landkreisen, Städten und Gemeinden die Haltung, dass es nicht ausreichen darf, eine Schreihalsgruppe zu gründen, um eine Unterkunft für Flüchtlinge zu verhindern.

In Hamburg etwa klagten drei Nachbarn erfolgreich gegen eine Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse im wohlhabenden Stadtteil Harvestehude. Nun will der zuständige Bezirksamtleiter den Bebauungsplan ändern lassen, um dort doch wie geplant 200 Menschen unterbringen zu können. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein gibt da schneller auf, überlässt den Schreihälsen das Feld und baut nach Protesten einiger Anwohner im Lübecker Stadtteil Bornkamp nun doch keine Erstaufnahme.

„Wir hätten den Standort favorisiert, erkennen aber an, dass er nicht durchsetzbar ist“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Donnerstag. Das Ministerium will ebenso wie Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) „eine öffentliche Debatte über mögliche Standorte vermeiden“, teilten beide mit.

In Bornkamp dürfte die Bürgerinitiative gegen die Erstaufnahme die Sektkorken knallen lassen, während der Rest der Stadt rätseln darf, auf welchem Parkplatz oder welcher Indus­triebrache nun eine Unterkunft entstehen wird. Denn das Land will die zentrale Unterbringung in Lübeck – nur wo ist unklar.

Die Bürgerschaft lehnte Ende Juni den Bau einer Unterkunft mit 600 Plätzen im Bornkamp ab. Nur die SPD war für den Standort, alle anderen Parteien forderten kleinere Einheiten. Inzwischen sind die Grünen umgeschwenkt: Bei einer Tagung ihres Ortsverbandes gab es eine Mehrheit für die Groß-Unterkunft. Diesem Mandat würde die Fraktion folgen. Ob die Bürgerschaft aber erneut gefragt wird, ist offen. Das Land könnte auch eigene Liegenschaften, etwa auf dem Gelände der Uniklinik, frei machen.

Eines aber ist durch den Widerstand der Schreihalsgruppe im Bornkamp und durch das Abstimmungsergebnis in der Bürgerschaft erreicht: Die Flüchtlingseinrichtung, die im September 2016 bezugsfertig sein sollte, wird nun wohl erst ein Jahr später fertig – wo auch immer sie Platz finden wird. EST