Das Universum neben Mc Donalds

Auf die Hand Frisch, international, kreativ: In der Hamburger Fischauktionshalle wird das Essen auf der Straße beim „Street Food Festival“ als große Party inszeniert. Das Essen machen nicht nur Profis. Es kommt aus der ganzen Welt, ist aber nicht eben billig

Deftig: Bei "Jäger und Sammler" gibt es Burger auch ohne Fleisch, etwa mit gebratenen Champignons Foto: Harry Horstmann

von Annika Lasarzik

Pommes, Currywurst, dazu ein weiches Brötchen – der Gedanke an Essen von der Straße weckt nicht eben Assoziationen an feinste Küche. Der Trend des „Street Foods“ setzt andere Akzente. Da wird gegrillt, gebraten, geschmort und gekocht. Nicht irgendwas, sondern möglichst kreative, exotische Speisen. Das Ganze in „Food Trucks“, die hipper aussehen sollen als jede Frittenbude und die mit ihrem Kücheninterieur eher fahrenden Restaurants gleichen.

Was in Asien und Afrika zur Alltagskultur gehört, hat sich in den Metropolen der Industrienationen zum lukrativen Geschäft entwickelt. Und ohne Superlative kommt der Trend offenbar nicht aus: Beim „größten Street Food-Festival des Nordens“ in der Hamburger Fischauktionshalle bieten 30 Gastronomen und Hobbyköche ihre Speisen an. Das Angebot reicht von veganen Tofu-Burgern bis zu „gesmoktem“ Pulled-Pork-Schweinefleisch oder südafrikanischem Eintopf – schon kurz nach nach Betreten der Halle stellt sich eine leichte Reizüberflutung ein.

Das Publikum ist weniger szenig als erwartet: Teenager, Rentner, Familien mit Kindern schlendern an den Essensständen vorbei. Aus mehreren Musikboxen dröhnt laute Popmusik, der Geruch von Bratfett und Bier liegt in der Luft. Dass sich das Event hier einen gewissen Indiecharme bewahren kann, liegt an den Köchen selbst. Bekannte Logos sind nicht zu sehen, nur kleine Betriebe und Privatleute machen mit.

Und die sind mit Begeisterung dabei. So wie Emmanuelle Galtay. Zwischen den großen Trucks fällt die Französin mit ihrem „Funky Hotdog“-Stand zunächst kaum auf. Doch Galtay spricht viel und lacht herzlich. Mit den Passanten, die teils schon etwas übersättigt wirken, kommt sie schnell ins Gespräch. Ein „Chérie, eine scharfe Hotdog für dich?“ genügt.

Viermal in der Woche sei sie mit ihrem Lastenrad in der Stadt unterwegs, um Hotdogs zu verkaufen, sagt Galtay. Die tragen Namen wie „Tina Turner“ (garniert mit Kartoffelchips und Wasabi) oder Barry White (mit Chili con carne gefüllt). Der „Funky classic“ kommt ganz klassisch mit Gurken, Ketchup und Senf daher und schmeckt besonders wegen der gut dosierten Röstzwiebeln – und wegen der offensichtlichen Hingabe Galtays bei der Zubereitung.

Typisches Fastfood gibt es auf diesem Markt ansonsten nur in besonderen Variationen, bei den „Peruvian Bros“ etwa Sandwiches auf peruanische Art: Stundenlang geschmortes Schweinefleisch, Zwiebeln, Koriander und Süßkartoffelchips in einem stattlichen Brötchen, dass weder zu kross, noch zu weich ist. Der 30-jährige Malte hat seine Portion schnell verdrückt. „Sehr saftig, obwohl keine Soße dabei ist; so kommt der Geschmack der einzelnen Zutaten besser hervor“, lautet sein Urteil.

Daneben bereitet Andreas Jürgensen „Urbane Spießkreationen“ in seinem Urban Food Truck zu, etwa „Bio-Putenbrust in Tandoori-Marinade“. Die Entscheidung, in die Street-Food-Branche einzusteigen, erklärt Jürgensen mit dem geringen wirtschaftlichen Risiko. „Mit dem Truck sind wir autark, können den Standort wechseln, sparen an Raummiete und Personalkosten“, sagt er.

Nicht nur erfahrene Gastronomen kochen heute auf dem Fischmarkt. Mihail Ciftcioglu reicht an seinem Stand Probierteller mit arabischen Spezialitäten über den Tresen. Ob er selbst gekocht habe? „Nein“, lacht der junge Syrer – „alles von Mama und Oma gemacht, nach Hausrezept.“ Die Familie lebe seit Jahren in Köln und sei zum vierten Mal beim Festival dabei – ein eigenes Restaurant betreiben die Ciftcioglus darüber hinaus nicht.

An einem der letzten freien Stehtische widme ich mich den arabischen Snacks. Der Hummus ist wunderbar cremig, der Tabouleh-Salat hat eine starke Minznote und die Hackbällchen sind mit scharfen Gewürzen verfeinert, an die sich mein Gaumen erst einmal gewöhnen muss.

Mir gegenüber isst ein Besucher gerade das jamaikanische Nationalgericht „Ackee and Saltfish“, eine Art Fischeintopf mit Kokosfilm, ein anderer Gast löffelt indisches Curry. Internationaler geht nicht – doch viel Zeit, die exotischen Speisen auf sich wirken zu lassen, bleibt nicht. Bierbänke und Stehplätze sind schnell belegt, der Besucherandrang wird im Laufe des Abends größer, einen ruhigen Platz zum Verweilen finde ich nicht.

Mir gegenüber isst ein Besucher gerade das jamaikanische Nationalgericht: „Ackee and Saltfish“, eine Art Fischeintopf mit Kokosfilm

Der Kölner Till Riekenbrauk hat die Veranstaltung gemeinsam mit zwei Freunden organisiert. Seit Monaten tourt das Team wie ein großer Wanderzirkus durch Deutschland. Ein Teil der Gastronomen kommt wie sie aus Köln, etwa 15 stammen diesmal aus Hamburg und Umgebung. „Wir leben in einer beschleunigten Gesellschaft, essen unterwegs und auf die Hand“, sagt Riekenbrauk. "Gleichzeit wächst das Bewusstsein für gutes Essen – beim Street Food werden beide Komponenten miteinander verbunden."

Meike aus Barmbek beißt in einen Pancake mit Bananen. Die Vegetarierin freut sich über die kurzen Wartezeiten bei den fleischlosen Angeboten – lange Schlangen bilden sich heute vor allem vor Trucks wie dem „Hackbaron“.

Eins kritisiert die Besucherin: „Die Preise könnten niedriger sein; wir haben zu zweit schon fünfzig Euro ausgegeben.“ An den Ständen kosten die meisten Gerichte zwischen fünf und acht Euro, die Portionsgröße variiert stark. „Gutes Essen hat seinen Preis“, sagt Riekenbrauk, dem diese Kritik nicht fremd ist. „Ein Burger kostet hier ein paar Euro mehr als im Fastfood-Restaurant, ist aber von besserer Qualität.“ Auch den Eintrittspreis von drei Euro rechtfertigt er, verweist auf Personalkosten, Technik, Gebühren für die Hallennutzung. Dafür seien die Standgebühren niedrig, um die Köche zu entlasten.

Ich kann indes gar nicht so viel essen, wie ich probieren möchte. Meine Portion etwas zu fettiger polnischer Piroggen verspeise ich am Ende nur noch mit Mühe. Die stickige Halle lasse ich gerne hinter mir. Viel Raum für kulinarische Experimente lässt am Ende also weder der Geldbeutel noch der Magen zu.