EINE AMERIKA-FREIHANDELSZONE IST WEITER WEG DENN JE
: Denkzettel für Bush

Die Zeiten ändern sich in Nord- und Lateinamerika. Nur im Weißen Haus scheint man dies nicht wahrhaben zu wollen. Anders ist das Auftreten der US-Delegation auf dem Amerika-Gipfel in Argentinien kaum zu interpretieren. Der Versuch, das Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone wiederzubeleben, musste scheitern.

Dass Bush nicht weit gekommen ist, lag auch an ihm selbst. Gastgeber Néstor Kirchner hatte auf dem Gipfel unter dem Titel „Anständige Arbeit“ ein Vorschlagspaket erarbeiten lassen, wonach Politik und Wirtschaft menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen, so die grassierende Armut verringern und das angeschlagene Vertrauen in die repräsentative Demokratie wiederherstellen sollten. Doch all taten US-Diplomaten als lästiges Beiwerk ab. Dabei wissen alle Präsidenten, auch Bushs engste Verbündete, dass die neoliberalen Rezepte des „Washington-Konsenses“ von 1990 den Menschen nicht geholfen haben.

Womöglich hatte Bush darauf spekuliert, Venezuelas Volkstribun Hugo Chávez und die Mercosur-Präsidenten auseinander dividieren zu können. Mit Uruguay unterzeichneten die USA jetzt ein umstrittenes Investitionsschutzabkommen, und schon vor Monaten hatte Paraguay den Vorbereitungen zu einer US-Militärbasis zugestimmt.

Argentinien und Brasilien durchkreuzten geduldig dieses Kalkül, Chávez triumphierte. Mit seinen Auftritten im argentinischen Mar del Plata auf dem alternativen „Gipfel der Völker Amerikas“ und beim Präsidententreffen hat Chávez seine Rolle als populärster Sprecher der lateinamerikanischen Linken untermauert. Nicht Bush, sondern Chávez knüpfte mit seinem Vorschlag eines milliardenschweren Armutsfonds an John F. Kennedy an, der in den Sechzigerjahren Sozialreformen in Lateinamerika propagiert hatte. Für Bush zeichnen sich weitere Rückschlage ab. Ein Durchbruch in Sachen Freihandels auf der nächsten WTO-Tagung ist unwahrscheinlich. Und bald könnten erstmals seit Jahrzehnten auch Bolivien und Mexiko von Linken regiert werden. Der US-Einfluss schwindet. GERHARD DILGER