Seehofer doch nicht ganz allein zu Haus

Betreuungsgeld Wohin mit dem Geld, entscheidet Regierung im September. Neben Bayern will auch Sachsen eigene Herdprämie

Einigkeit von SPD, Grünen und Linkspartei: mehr Geld für Kitas Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Aus Berlin Simone Schmollack

Die bayerische SPD strebt ein Volksbegehren zum Betreuungsgeld an. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am Dienstag das Betreuungsgeld für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt hat, wollen die Sozialdemokraten in Bayern einen „Volksentscheid oder ein Volksbegehren“ prüfen, kündigte der bayerische SPD-Fraktionschef Markus Rinders­pacher an.

Mit dem Volksbegehren will die SPD zeigen, dass die CSU mit ihrer Forderung nach einem landesweiten Betreuungsgeld allein dasteht. CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte direkt im Anschluss an das Karlsruher Urteil den Familien in seinem Land weiterhin Betreuungsgeld zugesichert.

Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) soll sich bis Anfang September eine Art Landesbetreuungsgeldgesetz ausdenken, mit dem der Freistaat das Betreuungsgeld unkompliziert weiterhin zahlen kann.

Doch so allein ist Bayern mit seiner Forderung nach der „Herdprämie“ gar nicht. Auch Sachsen will weiter Betreuungsgeld zahlen, verkündete die sächsische Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) im Mitteldeutschen Rundfunk. In dem ostdeutschen Land beziehen derzeit über 10.000 Familien die Leistung. Ebenso spricht sich Annegret Kramp-Karrenbauer für eine „Wahlfreiheit“ und damit für das Betreuungsgeld aus. Die CDU-Ministerpräsidentin des Saarlandes sagte der Wirtschaftswoche, das Land Hamburg habe mit seiner Klage gegen das Betreuungsgeld ­„Familien einen Bärendienst“ erwiesen.

In Thüringen, wo die bundesweit erste rot-rot-grüne Regierung gerade erst das Landeserziehungsgeld abgeschafft hat, fordern die Oppositions­parteien CDU und AfD nun „Ersatzleistungen“.

Für das Betreuungsgeld waren bundesweit in diesem Jahr 900 Millionen Euro eingeplant. Die werden nicht mehr vollständig gebraucht, weil Neuanträge nicht mehr bewilligt werden. Wie das Geld verwendet werden soll, darüber will die Bundesregierung im September entscheiden. Nun werde geprüft, „welche finanziellen Verpflichtungen für den Bund“ noch bestehen, sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz. Ob das Geld die Länder bekommen oder es „irgendwelchen Ressorts“ zur Verfügung gestellt werde, ist offen, so Wirtz.

CDU und CSU plädieren dafür, dass die Länder selbst entscheiden sollen, ob und wie sie ein Betreuungsgeld zahlen. CSU-Chef Seehofer will für die Ausgaben in seinem Land den Bund verpflichten. Der lehnt das aber ab.

Bärendienst für Familien

Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin Saarland

SPD und Opposition plädieren dafür, das Geld in den Kitaausbau zu stecken. So sehen das auch zahlreiche Frauen-, Familien und Arbeitsverbände. „Eine gute und bezahlbare Infrastruktur im Erziehungsbereich ist unverzichtbare Voraussetzung für die Erwerbstätigkeit beider Eltern und für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes in Zeiten des Fachkräftemangels“, sagte Henrike von Platen, Präsidentin von Business and Professional Women. Der Verband organisiert jedes Jahr den Equal Pay Day, der auf die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern hinweist. Die Differenz von rund 21 Prozent entsteht unter anderem, weil vor allem Frauen wegen der Kinder beruflich zurücktreten.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht sich für mehr Kitas aus. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg forderte: „Das Geld darf nicht im Haushalt des Bundesfinanz­ministers versickern.“

Im ersten Quartal 2015 bezogen bundesweit über 455.321 Mütter und einige Väter Betreuungsgeld. Rund ein Viertel von ihnen lebt in Bayern. Das Problem im Freistaat: Es fehlen jede Menge Kitaplätze.