„Im Bereich des irrelevanten Restrisikos“

SICHERHEIT Eine der künftigen Flugrouten führt am Forschungsreaktor vorbei. Gericht berät über Klage

Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am Mittwoch der erste Prozess gegen die künftigen BER-Flugrouten begonnen. Kläger sind die Gemeinden Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow sowie Anwohner des Forschungsreaktors am Wannsee. Sie klagen wegen des Lärms und weil eine der Flugrouten nur drei Kilometer vom Reaktor entfernt verläuft. Wann das Gericht über die Klage entscheidet, ist noch nicht abzusehen. Zudem wird es weitere Verfahren gegen andere Flugrouten geben; Kläger sind die jeweils betroffenen Anwohner.

Der Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums steht in einer einfachen Industriehalle, er hat keine Betonhülle. Laut der vom Umweltministerium eingesetzten Reaktorsicherheitskommission könnte ein Flugzeugabsturz zur Kernschmelze führen.

Die Folgen: Das Gebiet unmittelbar um den Reaktor müsste evakuiert werden, darüber hinaus würde das Schlucken von Jodtabletten gegen die Radioaktivität empfohlen. „Wir können uns in Berlin keinen Unfall mit größeren Folgen vorstellen“, sagte Klägeranwalt Remo Klinger.

Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung verteidigte die Flugrouten. „Dieser Reaktor stand immer schon dort, er war noch nie gegen Flugzeugabstürze gesichert, und es gab dort noch nie eine Flugverbotszone“, sagte Anwalt Tobias Masing. Die Folgen eines Absturzes wären zweifellos gravierend, aber „auch der Absturz auf den Hauptbahnhof Potsdam oder das Olympiastadion wäre grausig“. Wenn der Reaktor nicht ausreichend gesichert sei, dann sei das „eine Frage der Planung des Reaktors“ und der Atomaufsicht. Sprich: Dann soll doch der Reaktor nachgerüstet werden, damit er Flugzeugabstürzen standhält.

Das Bundesamt verwies zudem darauf, dass die meisten Flugzeugabstürze kurz vor der Landung passierten oder kurz nach dem Start. Im Bereich des Reaktors – knapp 30 Kilometer nach dem Start – seien Abstürze viel seltener. Zudem hätten die Piloten bei einem Defekt in den meisten Fällen die Möglichkeit, das Flugzeug zu steuern und vom Reaktor wegzulenken. Zwar gebe es bei Flugzeugen oft Abweichungen von der Flugroute, doch 95 Prozent der Flüge verliefen nicht mehr als 1,6 Kilometer neben der Spur. Der Abstand von drei Kilometern zum Reaktor sei ausreichend groß. Ein Absturz auf den Reaktor sei zwar nicht auszuschließen, aber „im Bereich des irrelevanten Restrisikos“. SEBASTIAN HEISER