Illegale Dossiers geistern weiter durchs System

DATENSCHUTZ Trotz entsprechend entschiedener Gerichtsverfahren ist unklar, ob Polizei und Verfassungsschutz rechtswidrig erlangte Daten gelöscht haben

Die Polizei hat eingeräumt, dass sie zu Unrecht Daten an den Verfassungschutz weitergeleitet hat – doch ob das über die konkreten Fälle hinaus Konsequenzen haben wird, ist offen.

Vor wenigen Tagen hatte die Polizeidirektion Göttingen in Anerkennungs-Erklärungen vor dem Verwaltungsgericht bei fünf Klägern zugegeben, rechtswidrig gehandelt zu haben. Die Kläger hatten Demonstrationen angemeldet und die Polizei Verlaufsberichte mit deren persönlichen Daten – Name, Anschrift und Handynummer – an den niedersächsischen Verfassungsschutz weitergeleitet.

Was nun mit den Hunderten illegalen Dossiers der Anderen passiert, die mindestens zwischen 2009 und 2013 unter der Ägide des damaligen CDU-Innenministers Uwe Schünemann offenkundig von allen Polizeidirektionen in Niedersaschen routinemäßig angefertigt worden sind, ist unklar. „Da es sich hier um personenbezogene Daten handelt, ist eine einzelfallbezogene Auskunft, mithin was konkret mit den Göttinger Daten gemacht wurde, datenschutzrechtlich nicht zulässig“, erklärt der Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutz in Hannover, Frank Rasche, auf taz-Anfrage.

Auch die Pressesprecherin der Polizeidirektion Göttingen, Margret Reinecke, druckst herum. Die bisherige Verfahrensweise sei bereits mit Einreichung der Klagen „umgehend eingestellt und die Löschung der vorhandenen Daten der Kläger veranlasst“ worden, sagt sie. Die Polizeidirektion Göttingen prüfe derzeit ihr recherchefähiges System, das Niedersächsische Vorgangsbearbeitungs-, Analyse, Dokumentations- und Informationssystem (Nivadis), auf Daten von Versammlungsanmeldern und -leitern. Soweit eine weitere Aufbewahrung nicht mehr erforderlich sei oder andere rechtliche Voraussetzungen für eine Speicherung nicht mehr vorlägen, würden die Daten von Amts wegen unverzüglich gelöscht, versicherte Reinecke. .

Verfassungsschutz-Sprecher Rasche weist darauf hin, dass nach dem Verfassungsschutzgesetz die Polizei auch personenbezogene Daten übermitteln dürfe soweit tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass diese für die Arbeit des Verfassungsschutzes erforderlich seien. „Das stimmt“, sagt Michael Knöpf vom Landesam für Datenschutz. Aber wofür brauche der Verfassungsschutz Daten von Anmeldern einer Mahnwache oder Lichterketten. „Da kümmern wir uns drum“, verspricht Knöpf.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sieht keine Veranlassung, die Direktionen nochmals auf die neue „Entwicklung“ aufmerksam zu machen. „Die niedersächsischen Polizeibehörden wurden in Dienstbesprechungen auf verschiedenen Ebenen zum Umgang mit personenbezogenen Daten in Verlaufsberichten auf mehreren Ebenen sensibilisiert“, sagt Pistorius‘ Sprecher Philipp Wedelich und verweist auf einen Erlass, dass personenbezogene Daten nur aufzunehmen seien, soweit ihre Kenntnis für die gesetzliche Aufgabenerfüllung erforderlich sei. Kai von Appen