Lebens-risiko

Prozess Bei Glätte ausgerutscht, Hotel verklagt – und verloren

Eine Blitzeiswarnung entbindet das Hotel vom Streuen gegen die Glätte – alle anderen aber auch

Auto einparken, aussteigen. Erster Schritt auf den Gehsteig, zweiter Schritt und Sturz. Oberschenkelbruch mit Riss der Aorta, fast drei Wochen Krankenhaus und ein geplatztes Millionengeschäft in Südostasien.

So verlief der frühe Abend des 20. Januar 2014 für Oliver S. Für sein Unglück macht der promovierte Jurist das Maritim-Hotel in Tiergarten verantwortlich. Er verklagte das Fünf-Sterne-Haus zunächst auf 10.000 Euro Schmerzensgeld mit der Absicht, nach gewonnenem Rechtsstreit die Schadenersatzsumme auf 37 Millionen Euro zu erhöhen. Doch das Berliner Landgericht wies gestern seine Klage ab.

Zwar sei das Hotel grundsätzlich verpflichtet gewesen, in der Mitte des mindestens 3,80 Meter breiten Gehsteigs einen Streifen von anderthalb Metern freizuhalten. Dieser Streifen beginnt also 1,15 Meter von der Bordsteinkante entfernt.

Ob Oliver S. sich schon an dieser Markierung befunden hatte, ließ sich aber mit den zur Verfügung stehenden Zeugen nicht beweisen. Der Gestürzte sagt, er sei damals schräg gelaufen, den ersten Schritt habe er von der Straße aus gesetzt. Da wird es knapp.

Sein Geschäftspartner, der den vor Schmerzen Schreienden gefunden hatte, war zu aufgeregt, um die genaue Lage von Oliver S. zu erinnern.

Der Rettungssanitäter, der an diesem Tag noch vielen anderen Verletzten helfen musste, weiß auch nur, dass er seinen Patienten nicht auf dem Fahrdamm behandelte. Und als die Hotel­angestellte mit ihren Pumps vorsichtig zum Unfallort ge­tippelt war, befand sich Oliver S. schon im Krankenwagen.

Dabei war das Hotel nicht einmal zum Streuen verpflichtet gewesen, davon entband nämlich die Blitzeiswarnung. Bei einer solchen fallen Unfälle, wie es das Gericht so schön formulierte, „in den Bereich des allgemeinen Lebensrisikos der Verkehrsteilnehmer“.

Immobilienfinanzierer Oliver S. hält das Urteil für „gekauft“: „Das ist ein Freibrief für alle gastronomischen Einrichtungen, bei Glatteis nicht zu streuen!“ Hätte er sich nur das Jackett zerrissen, so glaubt er, hätte sich das Maritim längst und gebührend bei ihm entschuldigt.

Doch an diesem Abend ging es um mehr: Der Deal war eingefädelt, die Unterschrift schon geleistet. Weil er aber den Mann, der ihm 200.000 Euro leihen wollte, aus denen er schließlich 37 Millionen machen wollte, nicht persönlich treffen konnte, „war der sauer“ und investierte sein Geld an anderer Stelle.

S. will nun „brutal“ weiterprozessieren und hat sogleich angekündigt, in Berufung vor das Kammergericht zu ziehen. Uta Eisenhardt