Bezirksämtern bricht das Personal weg

Mangelwirtschaft Den Bezirksämtern fehlt Personal, viele Arbeiten bleiben liegen: So kann Friedrichshain-Kreuzberg nicht mal mehr den Sanierungsbedarf seiner Schulen erfassen. Und Abhilfe ist nicht in Sicht

Dass in dieser Schule vieles kaputt ist, ist offensichtlich – doch die Ämter kriegen es nicht mit Foto: Rolf Zöllner/imago

von Anna Klöpper

Im Hochbauamt Friedrichshain-Kreuzberg mag man das berühmte Glas lieber halb voll als halb leer. Dass Arbeiten liegen bleiben, weil die Personaldecke schlicht zu dünn ist, das möchte Christoph Weist dann so doch nicht sagen. „Tätigkeiten in der Priorität zurückstellen“ ist die bevorzugte Formulierung des Fachbereichsleiters Hochbauservice.

Die Zahlen jedenfalls sind deutlich. Jahrelang hat Berlin in der Verwaltung Personal gestrichen, während die Stadt – das ist spätestens seit der Bevölkerungsprognose des Senats von 2012 bekannt – weit stärker wächst als erwartet. Rund 10.000 Vollzeitstellen hat der Senat dennoch zwischen 2006 und 2015 in den Ämtern eingespart, so ein Bericht der Statistikstelle Personal bei der Senatsverwaltung für Finanzen.

Die Lage wird sich weiter verschärfen. In Friedrichshain-Kreuzberg zeigt die aktuelle Ausscheidungsprognose des Bezirks: Bis 2025 gehen rund 36 Prozent des derzeitigen Personals in der Verwaltung in den Ruhestand – eine Folge des jahrelangen Einstellungsstopps. Besonders hart trifft es das Jugendamt, wo im gehobenen Dienst – dazu gehören etwa die Sozialarbeiter beim sozialpädagogischen Dienst – in den nächsten Jahren mehr als ein Drittel von derzeit knapp 300 Mitarbeitern altersbedingt ausscheidet. Im Hoch- und Tiefbauamt sowie im Grünflächenamt sieht die Lage teilweise noch dramatischer aus. Bei den „technischen Tätigkeiten“ – also Architekten und Ingenieuren – beträgt die Ausscheidungsquote zwischen 40 und knapp 60 Prozent.

Die Berliner bekommen die alle Ämter betreffende Mangelwirtschaft bereits jetzt deutlich zu spüren: Auf den Bürgerämtern beträgt die Wartezeit auf einen freien Termin derzeit zwischen sechs und acht Wochen. Die beiden Kfz-Zulassungsstelle in Lichtenberg und Kreuzberg sind derart überlastet, dass unter einem Monat Wartezeit gar nichts mehr geht, wie vergangene Woche eine Anfrage der Piraten an die Innenverwaltung ergab. Und die Jugendämter klagen seit Jahren über steigende Fallzahlen pro MitarbeiterIn und die Unmöglichkeit, mehr als nur Notfallhilfe zu leisten.

Aus dem Kreuzberger Hochbauamt heißt es indes, Notfall­arbeiten wie ein kaputter Handlauf in einem Schultreppenhaus oder eine Tür, die aus dem Rahmen fällt, würden noch erledigt. „Schließlich müssen wir die Sicherheit in den Gebäuden gewährleisten können“, betont Fachbereichsleiter Weist. Was hingegen auf der Strecke bleibt, ist die sogenannte Zustandserfassung von Gebäuden und damit auch von Schulbauten, für die der Bezirk zuständig ist.

Das klingt erst mal nicht so schlimm, ist aber ein Problem. Eigentlich sollen die Bezirke bis Ende des Jahres den konkreten Sanierungsbedarf ihrer Schulbauten an den Senat melden, so die Senatsbildungsverwaltung in einer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Fréderic Verrycken. Denn ohne solide Datengrundlage im Rücken – so darf man annehmen – wird es schwierig sein, dem Finanzsenator Geld für dringend benötigte Schulsanierungen aus den Rippen zu leiern. 2 Milliarden Euro beträgt der Sanierungsstau an den Schulen derzeit, so eine Schätzung der Bezirke aus dem vergangenen Jahr.

Was ist alles kaputt?

Bis 2025 gehen 36 Prozent des Personals in der Verwaltung in den Ruhestand

Für die Verhandlungen über den neuen Doppelhaushalt 2016/17, die bereits nach der Parlaments­pause im September beginnen und bis Ende des Jahres abgeschlossen sein sollen, käme eine systematische Erfassung des Sanierungsbedarfs zwar ohnehin zu spät. Aber immerhin wäre die Verwaltung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Bilde, wo der Putz besonders schlimm bröckelt. Zuletzt wurde die Senatsbildungsverwaltung Ende 2014 von einem wesentlich höheren Sanierungsvolumen für die Schulen als bisher angenommen überrascht.

Das größte Problem, sagt Christoph Weist, sei allerdings, dass dem Mangel an Personal schwer beizukommen sei. Denn selbst wenn es Geld für neue Stellen gebe, wie zuletzt im Nachtragshaushalt 2015 für die wachsende Stadt beschlossen, könnten diese kaum besetzt werden. „Die Bewerberlage ist problematisch“, sagt Weist. Acht Stellen durfte er unlängst ausschreiben – der Rücklauf sei dürftig gewesen. „Es bewerben sich wenige, und die sind oftmals nicht ausreichend qualifiziert.“

Vor allem Haus- und Sanitärtechniker sowie Ingenieure seien rar gesät. „Das Problem ist: Der Bezirksdienst ist nicht sonderlich attraktiv, die Landesämter und natürlich auch die Wirtschaft zahlen deutlich besser“, so Weist. Er hat nun die Bewerbungsfristen für die offenen Stellen noch mal verlängert.