American Pie
: Cup der guten Hoffnung

Dominator Beim Gold Cup ist das US-Soccer-Team derzeit Favorit – trotz wenig überzeugender Vorstellungen. Der Blick von Klinsmann und Co. geht indes nach vorn

An der Stimmung hat es auf jeden Fall nicht gelegen an diesem Montagabend Ortszeit im ausverkauften Sporting Park von Kansas City. „Was für ein Publikum“, staunte US-TV-Kommentator Glenn Davis immer wieder. Beim 1:1 der USA im letzten Gold-Cup-Gruppenspiel gegen Panama feuerten die 18.467 Fans ihre Mannschaft unentwegt an, als ginge es um den WM-Titel – trotz diverser Schludrigkeiten, die bei anderen Nationalteams längst für Pfiffe von den Tribünen gesorgt hätten. Schon vor der Partie stand die Qualifikation für das Achtelfinale fest, Trainer Jürgen Klinsmann ließ einige Stammspieler auf der Bank. „Wir wissen schon, dass die erste Hälfte ziemlicher Murks war – schon wieder“, konstatierte Torwart Brad Guzan nach der Partie. „Wir haben es uns oft selbst schwer gemacht.“

Tatsächlich waren die Auftritte des „USMNT“, des „US Men’s National Teams“, bei diesem Gold Cup mindestens leicht enttäuschend. Nach einem 2:1-Auftaktsieg gegen Honduras wurde Haiti im zweiten Spiel nur knapp mit 1:0 geschlagen. Dabei sollen hier die Weichen für die Zukunft des US-amerikanischen Fußballs gestellt werden. „Unser Plan ist simpel: Wir wollen diesen Gold Cup gewinnen“, sagte Klinsmann schon im Vorfeld. Das Turnier ist die Kontinentalmeisterschaft für Nord- und Mittelamerika und berechtigt den Gewinner zur Teilnahme am Confederations Cup 2017 in Russland, dem Vorbereitungslauf im Land des kommenden WM-Gastgebers – Klinsmanns großem Ziel. Die junge Mannschaft soll Spielpraxis auf Turnierebene gegen hochkarätige Konkurrenz bekommen – am Confederations Cup nehmen alle Kontinentalmeister plus Weltmeister und Gastgeber teil.

Nach dem WM-Titel der Frauennationalmannschaft ist die Erwartungshaltung nicht nur im Verband hoch. 26,7 Millionen Zuschauer verfolgten den Sieg der Frauen im Finale gegen Japan, selbst das Endspiel der Männer 2014 zwischen Deutschland und Argentinien lag knapp darunter. Prominenz von Basketball-Ikone Kobe Bryant bis hin zu US-Präsident Barack Obama bejubelten den Erfolg. Auch die Männer wollen vom Popularitätshoch profitieren – selten zuvor hatte das Land einen derart talentierten Kader.

Zehn Spieler aus dem Gold-Cup-Aufgebot sind 25 Jahre und jünger. Der 32-jährige arrivierte Angreifer Clint Dempsey – lange in Europa aktiv – oder der frühere Gladbacher Michael Bradley (27) werden schon zur alten Garde gezählt. Dazu kommen Talente wie der 22-jährige Verteidiger John Anthony Brooks von Hertha BSC oder Gyasi Zardes, die 23 Jahre junge Hoffnung in der Offensive, die einmal Dempsey beerben soll.

„Sie haben alle Voraussetzungen, sind schnell, technisch beschlagen“, schwärmt Klinsmann immer wieder. Nach der Gruppenphase, so will es das Regelwerk, können bis zu sechs Spieler im Kader ausgetauscht werden – weiterer Versuchsraum. „Ich habe da schon Ideen. Meine Jungs brauchen noch die nötige Erfahrung, und die kommt nur durch Spielpraxis auf hohem Niveau.“

Der Gold Cup – mit Gegnern wie Guatemala oder Kuba – taugt kaum als Gradmesser. Einzig Mexiko und vereinzelt Costa Rica sind ernsthafte Konkurrenz im eigenen Kontinentalverband. Aktuellster Beweis für das Potenzial waren indes zwei überzeugende Testspiele in Europa im Juni. Erst drehte das US-Team einen 1:3-Rückstand gegen die Niederlande in einen 4:3-Sieg, wenige Tage später wurde auch die deutsche Mannschaft mit 2:1 geschlagen. 2018, zur WM in Russland, so die Hoffnung, werden die Talente zu kompletten Spielern im besten Fußballeralter herangereift sein.

„Jetzt fängt der Gold Cup für uns erst richtig an“, sagte Klinsmann nach dem 1:1 gegen Panama. „Es wird ernst.“ Auch für die nächsten Jahre.

David Digili