Pflanzen essen
von Ariane Sommer
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Der Vorwurf: „Wie kannst du dich bloß für Tiere einsetzen, wenn in Afrika die Kinder verhungern?“ Mit dieser Argumentation werden ethische Veganer, also solche, die aus moralischen Gründen auf Tierprodukte verzichten, häufig konfrontiert. Wie könne man nur Mitgefühl für Tiere haben, wenn es Waisenkinder gibt, die Mitgefühl noch viel mehr verdient hätten. Oder Obdachlose. Oder die Rentner in Griechenland.

Diese Form der Kritik wird vorzugsweise von Menschen geäußert, denen nicht nur der Tierschutz am Allerwertesten vorbeigeht, sondern oft auch der Menschenschutz. Selten setzen sie sich selbst für hungernde Kinder oder sonst irgendetwas ein. Dafür haben sie auch gar keine Zeit. Die brauchen sie, um denen zuzusetzen, die sich tatsächlich für etwas engagieren, zum Beispiel Veganer.

Eine gute Antwort auf die oben gestellte Frage wäre: „Dadurch, dass ich vegan lebe, gehe ich aktiv Probleme wie Tierleid, soziale Ungerechtigkeit und Umweltverschmutzung an.“ Und Mal ganz davon abgesehen ist Mitgefühl keine endliche Ressource.

Mein Mitgefühl reicht nicht nur für Tiere aus. Ich habe ausreichend davon, um ebenfalls ein Mädchenheim in Indien zu unterstützen. Oder auch, um dem obdachlosen Mann vor dem Supermarkt etwas zu Essen zu kaufen und eine Decke zu bringen, wenn es kalt ist. Ich habe genug Mitgefühl, dass sogar jede Menge davon für die Wie-kannst-du-bloß-Nörgler übrig bleibt.

Und das verdienen sie auch. Denn insgeheim sind sie von der Angst getrieben, dass ihre nach außen vorgetragene Gerechtigkeit als das erkannt wird, was sie wirklich ist: Selbstgerechtigkeit.

Ariane Sommer schreibt hier alle zwei Wochen über veganes Leben Foto: Manfred Baumann