„Diese Freiheit, die man da fühlt“

Sommerserie Trendsportarten (3) Cruisen, pushen, pumpen: Claudia Lengani* ist Longboarderin. Sie erklärt die Faszination des schnellen Dahingleitens durch die Stadt – und warum es wichtig ist, bloß kein Longboard von der Stange zu kaufen, sondern sich individuell beraten zu lassen

„In Berlin gibt’s so viel schöne Strecken“, sagt Claudia Lengani Foto: Karsten Thielker

Interview Jens Uthoff

taz: Frau Lengani, was unterscheidet eigentlich ein Longboard von einem Skateboard? Abgesehen davon, dass es lang ist.

Claudia Lengani*: Der größte Unterschied ist, dass man mit dem Skateboard eher Tricks macht, während man mit dem Longboard besser lange Strecken fahren kann. Bei den Longboards sind die Rollen größer, man kann dadurch auch über kleine Steine und Stöcke fahren. Mit dem Skateboard würde man sich hinlegen, die Rollen und das Brett sind da total fest, du spürst jede Unebenheit. Mein Longboard hat zudem einen enorm großen Flex, das heißt, es ist sehr flexibel und biegt sich gut, was mir persönlich gut gefällt.

Wie sind Sie zum Longboarden gekommen?

Können wir uns duzen?

Ja, klar. Also: Wie bist du zum Longboarden gekommen?

Ich habe Videos im Netz gesehen – und fand es toll, wie die gefahren sind. Zum einen die Geschwindigkeit, die die drauf gekriegt haben. Aber auch das entspannte Fahren, das Kopf-frei-Kriegen, diese Freiheit, die man da fühlt.

Beim Longboarden geht es ja hauptsächlich darum, mit viel Tempo durch die-Gegend zu fahren …

Ja! Cruisen nennt man das.

Aha. Und wie erreicht man beim Cruisen eine hohe Geschwindigkeit?

Die bekommt man, wenn man „pusht“ – so heißt das Schwungholen mit dem Bein. Oder man kann pumpen.

Pumpen?

Dabei bleibt man mit beiden Beinen auf dem Brett und fährt kleine Schlängellinien. Dadurch erhöht sich auch das Tempo.

Wie schnell ist man denn so unterwegs?

Das hängt natürlich davon ab, wie und wo man fährt. Es gibt Downhill-Rennen bei Longboardern, da rasen die Fahrerinnen und Fahrer schon mal mit 100 Stundenkilometern runter. Wenn ich entspannt fahre, habe ich aber eher Fahrradgeschwindigkeit.

Seit wann fährst du denn Longboard?

Worum geht‘s beim Longboarden? Möglichst schnell auf einem langen Holzbrett mit Rollen darunter unterwegs sein.

Wer ist schon dabei? Die, denen Inline-Skaten zu uncool ist.

Wo geht‘s ab? Überall, wo viel Asphalt und viel freie Fläche ist. 50 Strecken in Berlin sind unter www.longboardstrecken.de/in/berlin zu finden.

Was braucht es dafür? Ein Board, festen Boden, flotte Beine.

Was bringt‘s? Man schwebt durch die Stadt.

Noch nicht sehr lang, seit etwa vier Monaten.

Du würdest dich also noch als Anfängerin bezeichnen?

Ja, auf jeden Fall. Aber als ich mir das Board gekauft habe, hat der Verkäufer mir erklärt, wie es geht, und dann gesagt: „Das hast du in zwei Minuten drauf.“ Ich dachte: „Okay, wenn er es sagt … er kennt sich schließlich aus“. So war’s dann auch! Ich war zwar noch unsicher und langsam, aber ich habe es schnell gelernt. Die Angst, aufs Brett zu steigen, verschwindet schnell – weil’s einfach unglaublich viel Spaß macht!

Wie häufig fährst du?

Wenn das Wetter es zulässt, jeden Tag. Aber wenn wir tausend Grad draußen haben wie neulich, laufe ich lieber mit Flip-Flops rum als mit festen Schuhen.

Mit Flip-Flops kann man eher nicht boarden?

Würde ich nicht empfehlen ...

Trägst du Schutzkleidung?

Nö. Ich wollte mir erst welche kaufen. Dann bin ich aber einfach gefahren und hab gemerkt, dass es auch so geht. Ich bin bislang erst einmal gestürzt, da bin ich wie so‚n nasser Sack einfach runtergeklatscht.

Vor einigen Jahren waren Frauen noch Exotinnen unter Skatern. Mussten sich die Frauen in diese Szene hineinkämpfen?

Ich glaube nicht, dass sie sich hineinkämpfen mussten. Das Skaten, mit den Tricks und den Spielereien und dem Imponiergehabe, war vielleicht eher Männersache. Beim Longboarden ist das anders. Da gibt es jetzt schon seit einigen Jahren diesen Boom, und dass die Frauen da auch mitmachen, ist doch völlig normal. Aber es gibt leider immer noch weniger Frauen als Männer, die Longboard fahren.

Claudia Lengani*

24, ist in der Nähe von Frankfurt an der Oder aufgewachsen und wohnt heute gemeinsam mit ihrem Mann in Neukölln. Sie arbeitet als Arzthelferin. Die Longboarderinnen und Long­boarder in Berlin sieht sie als „große Gemeinschaft“ von Gleichgesinnten an. *Nachname geändert

Wie teuer ist ein Longboard?

Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Meins hat 280 Euro gekostet. Es gibt auch günstigere, aber ich würde vor allem von Fertigboards abraten. Ich habe mir eins zusammenstellen lassen – es geht da auch ums Körpergewicht und vor allem darum, was man damit machen will. Außerdem gibt es so viele verschiedene Bretter, Rollen, Achsen … da sollte man sich ausführlich beraten lassen, anstatt einfach ein Stangenboard zu kaufen.

In Berlin werden die Longboarder schon zum Verkehrsproblem, hört man.

Ja? Vielleicht, weil einige auf den Straßen fahren. Das finde ich persönlich Quatsch: Der Belag mag zwar besser für uns sein, aber es ist viel zu riskant. Offiziell dürfen wir nur die Bürgersteige benutzen. Wir kämpfen derzeit mit einer Petition darum, die Radwege benutzen zu dürfen – ich unterstütze das. Wir sind genauso schnell wie die Radler – außerdem würden wir dann auch nicht mehr die Fußgänger erschrecken.

Welches ist dein Lieblingsort zum Longboarden in Berlin?

Bei uns in der Gropiusstadt fahre ich gern den Mauerweg entlang in Richtung Schönefeld. Und am Teltowkanal gibt es eine breite, gut asphaltierte Strecke. Aber in Berlin gibt’s so viel schöne Strecken, da werde ich bestimmt noch einige erkunden.