„Im Dithmarschen ließ sich gut Geld verdienen“

DENKMÄLER In Schleswig-Holstein sind besonders viele Herrschaftshäuser der Barockzeit erhalten. Landeskonservator Michael Paarmann, der die Neuauflage des „Dehio“-Kunstführers über Denkmäler in Hamburg und Schleswig-Holstein initiiert hat, erklärt, warum das so ist

ist seit 1989 schleswig-holsteinischer Landeskonservator und hat über barocke Gartenkunst auf Schloss Gottorf promoviert.Foto: Privat

VON PETRA SCHELLEN

taz: Herr Paarmann, aus welcher Epoche gibt es in Schleswig-Holstein besonders viele Denkmäler?

Michael Paarmann: Besonders stark sind in Schleswig-Holstein das 17. und 18. Jahrhundert – also die Zeit des Barock – vertreten: Das ist die große Zeit der Herzogtümer, in der hier viel Geld zu verdienen war. Damals hat sich vor allem der Landadel in Schleswig-Holstein prächtige Anlagen errichten lassen.

Welche Region ist besonders reich an Denkmälern?

Die ländliche profane Baukultur ist recht gleichmäßig verteilt. In Nordfriesland gibt es zum Beispiel eine großartige Hauslandschaft, in Flensburg die Knicklandschaft mit den Einzelhöfen, in Ostholstein – in Plön und Rendsburg etwa – große Güter. Und auf der Halbinsel Eiderstedt sind viele mittelalterliche Kirchen erhalten.

Warum gerade dort?

Das hängt mit dem Reichtum des Bauernstandes zusammen: Im 17. und 18. Jahrhundert wurde in den fruchtbaren Marschengegenden viel Geld verdient: Man züchtete Vieh, das man nach England und in die Niederlande verschiffte. Und Kunst und Kultur können sich dort besonders gut entwickeln, wo es potente Auftraggeber gibt. Das war im Dithmarschen der Barockzeit der Fall.

Sind in Schleswig-Holstein mehr herrschaftliche Güter als Bauernkaten erhalten?

Ja. Es gibt in Schleswig-Holstein nur noch eine Handvoll richtiger Rauchkaten. Das hat einerseits klimatische Gründe: Im trockeneren Ostniedersachsen etwa finden sich viele gut erhaltene Fachwerkbauten. In Schleswig-Holstein dagegen greifen Wind und Wetter die Architektur wesentlich stärker an. Deshalb ist viel Substanz verloren gegangen.

Warum waren die Häuser der Armen so anfällig?

Weil es einen riesigen Unterschied macht, ob Sie ein Fachwerk in billiger Fichte oder in teurer Eiche bauen. Eichenfachwerk ist wesentlich langlebiger als ein Fichten- oder Weichholzfachwerk. Die bäuerliche Baukultur gerade im Ostteil Schleswig-Holsteins war aber immer von Bedürftigkeit geprägt.

Wie weit reicht Ihre Macht als Landeskonservator?

Wir können dem Eigentümer gewisse Beschränkungen auferlegen. Bevor er da etwas abbricht oder entkernt, muss er mit uns sprechen – und wir versuchen natürlich, möglichst viel Substanz zu erhalten. Wenn die allerdings verbraucht ist, kann man sie nicht gesund beten. Auch wenn die Mittel nicht zur Verfügung stehen, muss man manchmal eingestehen, dass man ein Gebäude nicht erhalten kann.

Wie weit reicht Ihre Toleranz: Ist der Kaispeicher von 1963, auf dessen Außenmauern die Hamburger Elbphilharmonie gesetzt wird, noch ein Denkmal?

Gelegentlich löschen wir Denkmäler aus der Liste, weil durch Umbauten viel Substanz verloren ging. Bei der Elbphilharmonie hat die Denkmalpflege wohl schon eingestanden, dass da etwas auf den hohlen Zahn eines ehemaligen Speichers aufgepfropft wird. Aber man ist in Hamburg wohl auch nicht angetreten, dort Denkmalpflege zu betreiben.

Die von Ihnen initiierte Neuauflage des „Dehio-Kunstführers Hamburg/Schleswig-Holstein“ enthält besonders viele Gebäude des 19. und 20. Jahrhunderts. Geht das zu Lasten älterer Bestände?

An den alten Beständen wird sich nicht viel ändern. Andererseits sagt das schleswig-holsteinische Denkmalschutz-Gesetz: Prüft den Baubestand, der älter ist als eine Generation. Insofern müssten wir im Jahr 2010 schon in die 80er Jahre hineingehen. Das haben wir nicht getan, wohl aber Bauten der 30er, 40er und 50er Jahre stärker berücksichtigt. Denn auch wenn die Nachkriegsmoderne immer noch viel Vermittlungsarbeit braucht, geben wir nicht auf.

Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler: Hamburg / Schleswig-Holstein. Berlin/München 2009, 1040 S., 58 Euro