Fahrstopp für alte Diesel

Verkehr Brüssel droht mit Ärger, weil in deutschen Städten zu viel Stickoxid inder Luft ist, das die Gesundheit belastet. Kommen nun neue Regeln für Umweltzonen?

Dieser Stinker gehört nun wirklich ins Museum für alte Geschichte Foto: Andreas Grigoleit/VISUM

aus Berlin Hanna Gersmann

Keine blaue Plakette? Keine Einfahrt! Seit deutsche Städte vor sieben Jahren anfingen, Umweltzonen auszuweisen, gibt es Aufkleber, die anzeigen, wie hoch der Feinstaubausstoß eines Autos ist – und ob es in der Zone fahren darf. Zwei der insgesamt 50 Zonen sind auch für Fahrzeuge mit gelben Plaketten noch offen, für alle anderen muss sie grün sein. Nun könnte eine weitere Verschärfung anstehen: In den regulierten Bereichen sollen nur Autos und Busse mit geringem Stickoxidausstoß unterwegs sein dürfen. Dafür bräuchte es wieder eine neue – möglicherweise blaue – Plakette. Damit würden Tausende Diesel aus den Innenstädten verbannt, auch solche, die erst zwei oder drei Jahre alt sind. Und alte Benziner.

Für jeden Tag dicke Luft drohen Strafzahlungen

Denn weil die Luft in vielen Städten und Ballungsräumen stark mit diesen Stickoxiden belastet ist, hat die Europäische Kommission der Bundesregierung ein 23-seitiges Mahnschreiben geschickt. Darin fordert sie die auf, „sich binnen zwei Monaten nach Eingang dieses Schreibens hierzu zu äußern“.

Ändert sich nichts, könnte die Brüsseler Behörde Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Gewinnt sie, drohen Deutschland sechsstellige Strafzahlungen für jeden Tag mit dicker Luft. Das Schreiben, das „mit vorzüglicher Hochachtung“ endet, ist harsch im Ton. Deutschland habe „mindestens zehn Jahre Zeit gehabt, um die Einhaltung der Vorschriften vorzubereiten“, heißt es da. „In jedem Fall hätte Deutschland als ersten Schritt seine Steuerpolitik ändern können, die Anreize für Dieselfahrzeuge bietet.“

Brüssel geht es vor allem um das Reizgas Stickstoffdioxid (NO2). Es greift die Schleimhäute an, auch die Augen, führt zu Husten und Atemnot, in starken Dosen auch zu Herzproblemen. Die EU hat deshalb einen Grenzwert festgelegt, den sie noch für gesundheitsverträglich hält: 40 Mikrogramm Stickoxide im Jahresschnitt.

An gut der Hälfte aller Messstationen in der Republik, die nahe an Straßen liegen, liegen die NO2-Werte deutlich höher. Die Deutschen lieben Diesel, deren Anteil an den Neuzulassungen liegt derzeit bei 48 Prozent.

Was könnte man tun? In Paris sperren die Behörden an Tagen mit schlechter Luft abwechselnd Autos mit geradem oder ungeradem Kennzeichen aus. Die EU-Kommission schlägt in ihrem Brief als eine „wesentliche Maßnahme zur Problemlösung“ allerdings ein generelles „Verbot von bestimmten Dieselfahrzeugen in einigen städtischen Gebieten“ vor. Das haben auch deutsche Politiker im Sinn. Der grüne Verkehrsminister in Baden-Württemberg, Winfried Hermann, will möglichst noch in der zweiten Jahreshälfte eine Gesetzesinitiative dazu in den Bundesrat einbringen. Sein Plan: Kommunen bekommen die Möglichkeit, in einer Umweltzone eine blaue Umweltplakette zu verlangen. Diese dürfen nur die Diesel erhalten, die die Schadstoffnorm Euro 6 einhalten. Diese gilt ab September ohnehin für alle Neufahrzeuge. Benziner müssen mindestens Euro 3 entsprechen.

„Deutschland hatte mindestens zehn Jahre Zeit“

EU-Kommission
Stickoxidkats für Pkwgibt es noch nichtUmweltschützer fordern die blaue Plakette für die Windschutzscheibe schon seit Jahren. Hermanns Plan hat für sie allerdings einen Haken. „Er bringt nicht genug“, sagt Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe. „Bislang gelten bei den Euronormen die Werte, die auf einem Prüfstand ermittelt werden und teilweise massiv von der Realität im Straßenverkehr abweichen.“ Ihr Forderung: „Die Abgaswerte müssen im realen Betrieb gemessen werden.“ In der EU würden „entsprechende Verfahren derzeit verhandelt“.

Besitzer älterer Pkw werden ihre Autos übrigens kaum nachrüsten können. Zwar gibt es sogenannte SCR-Katalysatoren. SCR steht für selektive katalytische Reduktion und mindert den Stickoxidausstoß. Doch diese lassen sich derzeit nur in Busse und Lkw einbauen, nicht in Pkw. Ihr seien noch „keine Lösungen bekannt“, erklärt Saar.

Das Bundesumweltministerium hat sich noch nicht zur blauen Plakette geäußert. Sprecher Michael Schroeren sagte aber: „Umweltzonen bewegen etwas.“ Und: „Durch eine Fortschreibung würden die Länder in die Lage versetzt, Fahrzeuge mit hohen Emissionen aus Innenstädten zu verbannen.“ Man stimme sich nun mit den Ländern ab. Die Menschen in den Städten hätten „ein Anrecht auf saubere Luft“.