Das Reihenhaus in dir

Sitcom Das ZDF hat Cordula Stratmann auf Stromberg getrimmt („Ellerbeck“, 16. Juli, 22.15 Uhr, ZDFneo)

Ein Leben als Wutbürger. Mit Schweinemaske und lustigen Wortspielen Foto: Frank Dicks/ZDF

von Jens Müller

Das Emsland ist nicht das Wendland, aber die beim ZDF vorgeführten, nicht mehr ganz so jugendlichen Wutbürger waren vor 30 Jahren bestimmt schon dabei, um gegen Gorleben zu demonstrieren, gegen Brokdorf sowieso. In Ellerbeck im Emsland – 15.000 Einwohner, Deutsches Kaffeemühlenmuseum – geht es jetzt also mit dem denglischen Slogan „Mast not be!“ gegen eine Schweinemastanlage. Die Frage, ob die Parole nach dem Femen-Vorbild auch auf nackter Haut präsentiert werden soll, war offenbar vorher nicht ausdiskutiert worden.

Angeführt wird die Truppe von der Kindergärtnerin Sabine Ebert, die den amtierenden Pro-Schweinemast-Bürgermeister („Vater war schon Bürgermeister und der Opa auch. Also hier im Emsland, da ist die Regierung wie Syphilis – die wird durch Geschlechtsverkehr übertragen“) ablösen soll; die mit ihrem Mann in einem Reihenhaus wohnt („Ich sag immer: du kannst in ’nem Reihenhaus wohnen, aber du musst aufpassen, dass das Reihenhaus nicht in dir wohnt!“).

Kunstfigur in Kunstfigur

Sabine macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube, sie trägt es auf der Zunge: „Gibt ja diese Rot-Grün-Verwechsler, ne. Die die Farben nich auseinanderhalten können. So, und ich bin ’ne Ja-Nein-Verwechslerin. Immer schon. Zu schnell ja sagen – is mein Name in Apachensprache. Aber Bürgermeisterkandidatin – nie! Gut, wenn du für was richtig brennst, ne. Also der Jesus hat sich ja für seine Idee auch kreuzigen lassen, ne. Aber der war auch Single und hatte nich so ’ne Verantwortung im Job. Was hat der überhaupt gemacht, beruflich?“

Sabine wird dargestellt von Cordula Stratmann. Man konnte sie in den vergangenen Wochen in der ARD schon als „Die Kuhflüsterin“ sehen und kann jetzt feststellen: ob Tierheilpraktikerin für alle Lebenslagen oder Kindergärtnerin fürs Bürgermeisteramt – es macht fast keinen Unterschied.

Das könnte daran liegen, dass der Name Cordula Stratmann zwar genauso in der Geburtsurkunde steht, dass Cordula Stratmann gleichwohl eine Kunstfigur ist, die ihrerseits Kunstfiguren spielt. In jeder neuen Kunstfigur muss die Kunstfigur Cordula Stratmann sofort identifizierbar sein, diese patent-bodenständige Rheinländerin (für die das Emsland dialektal eigentlich etwas zu nördlich liegt), sodass für die Rollenwahl und -ausgestaltung ungefähr so viel Spielraum bleibt wie seinerzeit bei Bud Spencer.

Oder es ist ganz im Gegenteil so, dass Cordula Stratmann tatsächlich so und immer sie selbst und also das ist, was man eine Volksschauspielerin genannt hat, damals als Heidi Kabel und Erni Singerl noch lebten. Letztere hat den Volksschauspieler einmal so definiert: „Darsteller, der nicht spielen muss, sondern bei dem die Handlung aus dem Bauch heraus kommt.“

Die Macher der ARD-Vorabend-„Kuhflüsterin“ wären mit dieser Einsortierung wohl sogar ganz zufrieden. Das ZDF probiert auf ZDFneo aber gerne die – für die eigenen bescheidenen Verhältnisse – etwas abseitigeren, gewagteren, unkorrekteren Formate aus. Wie jüngst die Politsatire „Eichwald, MdB“. Und an „Ellerbeck“ haben, neben etwa Oliver „heute-show“ Welke, auch die für „Stromberg“ mit dem Grimme-Preis belohnten Lars Albaum und Dietmar Jacobs mitgeschrieben.

Unglücklich inspiriert

Für die Rolle bleibt so viel Spielraum wie seinerzeit bei Bud Spencer

Aus „Stromberg“ mitgenommen haben sie die inzwischen etwas abgegriffene Mockumentary-Ästhetik, das ständige Sichwenden des Personals an den Zuschauer als Kamerateam: „Macht ihr mal die Kamera aus!“ Wie Stromberg darf sich nun Sabine Ebert/Cordula Stratmann über die eigenen schlechten Witze beömmeln.

Aber „Stromberg“ war nicht Volkstheater. Stromberg war seinem Naturell gemäß ’ne fiese Möpp, wie man in Cordula Stratmanns niederrheinischer Heimat so sagt, oder einfach ein hinterfotziges Arschloch. Bei einer Hauptfigur, die doch offensichtlich Sympathien tragen soll, ist das hingegen überhaupt nicht komisch. Oder wie ging noch gleich dieser Slogan? „Mast not be!“

Aber natürlich gewinnt Ebert/Stratmann die Bürgermeisterwahl und es gibt fünf weitere Folgen. Mindestens.