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Verdacht auf Untätigkeit

HEIM-BESUCH

Wussten die Behörden schon viel früher von den Missständen? Einem Bericht der Lübecker Nachrichten zufolge soll die schleswig-holsteinische Heimaufsicht bereits im August 2014 von Bewohnerinen der umstrittenen Friesenhof-Heime auf möglichen sexuellen Missbrauch und weitere mögliche Straftaten hingewiesen worden sein. Die Zeitung zitierte jetzt aus einem „Prüfvermerk“, der einen Besuch der Aufsicht am 7. August 2014 dokumentiert.

Demnach wandten sich mehrere Mädchen hilfesuchend an die Besucher von der Heimaufsicht. Unter anderem hätten die Mädchen ausgesagt, dass sich ein Betreuer „sehr grenzwertig“ verhalten und einem Mädchen „‘in den Schritt gefasst‘“ habe. Ein anderer Betreuer habe den Mädchen erklärt, dass sie mit einer Bewohnerin, für zehn Minuten „machen und tun“ könnten, was sie wollten. Er würde nach draußen gehen und nichts mitbekommen.

Danach geschah offenbar wenig. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe bestätigt gegenüber der taz, dass die Polizei erst im Januar 2015 wegen sexuellen Missbrauchs gegen einen Betreuer ermittelte; zuvor habe die Friesenhof-Betreiberin Anzeige erstattet. Ob es sich um die nun berichteten Vorwürfe drehte, ist unklar.

Hätte die Heimaufsicht schon damals Polizei und/oder Staatsanwaltschaft informieren müssen? Nach dem neuen Bundeskinderschutzgesetz sind Jugendämter verpflichtet, zur Abwendung einer Gefährdung andere Stellen einzuschalten. Das Amt hätte möglicherweise einen Belegungsstopp oder ein Tätigkeitsverbot für einzelne Mitarbeiter verfügen können. Das Kieler Sozialministerium will sich derzeit nicht äußern. Ob die Heimaufsicht fachlich und juristisch korrekt gehandelt habe, werde „intern“ aufgearbeitet. Mit dem Fall wird sich im Herbst in Kiel ein Untersuchungsausschuss beschäftigen.

Wie berichtet, waren in den im Juni geschlossenen Heimen des Trägers Friesenhof überwiegend Mädchen aus Hamburg untergebracht. Die Jugendämter Hamburg-Mitte und -Wandsbek erklären, den nun bekannt gewordenen Vermerk nicht zu kennen. Von Wandsbek aus wurden auch nach August 2014 noch drei Mädchen in das Heim geschickt. KAJ

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