Spielen mit den Schmuddelkindern

Umsonst und Draussen Drei Generationen stellen nächstes Wochenende zum 37. Mal das Wutzrock-Festival am Allermöher Eichbaumsee auf die Beine. Das ist seinen kämpferischen Wurzeln in all den Jahren treu geblieben

Familiärer Charme und politischer Anspruch: Ob auf dem Plakat große Namen stehen, ist den Wutzrock-OrganisatorInnen egal   Foto: Johannes Nacke

von Robert Matthies

Es hat viel mit den kämpferischen Wurzeln und mit dem Festhalten an den zentralen Grundsätzen zu tun: Trotz seines – für ein selbst verwaltetes „Umsonst und draußen“-Festival – beachtlichen Alters kann das Bergedorfer Wutzrock immer noch jedes Jahr ein paar mehr Menschen auf die im Laufe der Jahre so lieb gewonnene Wiese am Allermöher Eichbaumsee locken. Hierhin hatte man die „Schmuddelkinder“, die es gegründet haben, einst verbannt, auf dass sie niemanden ernstlich stören.

Ersonnen wurde das so würdevoll gealterte Festival 1978 als lautstarke Forderung nach einem autonomen Jugendzentrum, in einer Zeit also, die aus heutiger Sicht ungewöhnlich politisch erscheint. Denn die Jugendlichen hatte man, als in den 1960er-Jahren die Großwohnsiedlungen in Lohbrügge-Nord oder Bergedorf-West gebaut wurden, schlicht vergessen. Für die gab es dort außer Einkaufszentren, Parkanlagen und Kneipen kaum Orte, an denen sie sich treffen konnten. Nicht nur „Gammler und Hippies“ wurden damals zum öffentlichen Ärgernis, sondern auch die aggressiv auftretende Neonazi-Szene, die hier Ende der 1970er-Jahre zunehmend auf fruchtbaren Boden stieß.

Die Initiative für ein selbst verwaltetes Jugendzentrum allerdings ging von der sich damals formierenden dezidiert linken Jugendkultur aus. Jugendliche, die in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), in den Jusos, im Kommunistischen Bund oder in der Evangelischen Jugend organisiert waren, taten sich mit anderen Gleichaltrigen zusammen, um ganz pragmatisch für eine Verbesserung der Freizeitsituation im Stadtteil zu streiten.

„Kein Konsumzwang! Keine Kontrolle durch die Eltern!“, lautete die Devise damals, als das „Wutzrock“-Festival zur Unterstützung der Jugendzentrumsbewegung „JUZ, aber dalli!“ ersonnen wurde. 1979 fand es vor 2.000 Zuschauern dann das erste Mal im Billtal-Stadion statt, draußen und umsonst.

Mit ihrem lautstarken Protest gingen die ersten Wutzrocker den Verantwortlichen im Rathaus schließlich dermaßen auf die Nerven, dass sie der Forderung nach ein paar Jahren nachkamen. Die Bergedorfer Jugend aber hat das, anders als damals wohl erhofft, nicht davon abhalten können, bis heute jedes Jahr weiter zu wutzrocken.

„Wir sind heute eine große Familie, die drei Generationen umfasst“, erzählt Susanne Vielhaben, die mit rund 40 anderen zum festen Kern der Vorbereitungsgruppe gehört. Einige von ihnen sind von Beginn an dabei, andere haben den Stab irgendwann an die eigenen Kinder gegeben.

Einen familiären Charme hat sich auch das Festival selbst bis heute erhalten. Auch wenn sich vor den zwei Bühnen längst jedes Jahr für drei Tage insgesamt rund 15.000 BesucherInnen einfinden. Man ist stolz auf das funktionierende Pfandsystem und darauf, dass auch mal illustre, international bekannte Bands wie die durch Robert Rodriguez‘ Film „From Dusk Till Dawn“ bekannt gewordenen Tito & Tarantula oder die argentinischen Latin-Rocker Karamelo Santo vorbeischauen.

Große Namen stehen hier aber bis heute nicht im Vordergrund. Neben Musik und der idyllischen Lage direkt am Badestrand hat das Wutzrock deshalb traditionell noch mehr zu bieten: ein großes Kinderfest, eine Feuershow, einen Poetry Slam, ein Federballturnier – und die längst legendäre Festival-Sportart Schlafsackhüpfen.

Dabei versteht sich das Festival immer noch als politische Veranstaltung, will antifaschistisch und antisexistisch sein – und trotz Nicht-Kommerzialität auch professionell. Noch immer keinen Cent muss berappen, wer sein Zelt auf den Wiesen aufbaut, den Bands lauscht oder sein Auto parkt. Letzteres allerdings wird, Stichwort: Nachhaltigkeit, nicht gern gesehen. Zumal die Anreise mit Fahrrad, Shuttle-Bus oder dem eigenen Boot angenehmer ist.

Möglich wird all das durch die Leidenschaft eines gemeinnützigen Vereins und das unermüdliche Ehrenamt unzähliger HelferInnen – bis zu 500 Menschen sind es während des Festivals. Und durch MusikerInnen, die wissen, dass ihr Engagement für ein unkommerzielles Festival eben unbezahlbar ist.

In Sachen Line-up muss sich das Wutzrock trotzdem auch im Vergleich mit all den kommerziellen Festivals ringsum nicht verstecken. Dieses Jahr stehen unter anderem die auch im Verfassungsschutzbericht so erfolgreich beworbene Punkband Feine Sahne Fischfilet und das Hamburger Protestrock-Trio Trümmer auf der Bühne.

Fr, 24.7. bis So, 26.7., Eichbaumsee Allermöhe, S21 Mittlerer Landweg, Shuttle-Bus bis zum Festivalgelände.

Internet: www.wutzrock.de