NRW-Hauptschulen sterben schneller

In den nächsten acht Jahren sind in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Schulen von der Schließung bedroht, sagt der Verband Bildung und Erziehung NRW. Er fordert erneut die Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems

DÜSSELDORF taz ■ Der Verband Erziehung und Bildung NRW (VBE) befürchtet bis zum Jahr 2014 einen starken Rückgang der weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen. Gestern stellte die Gewerkschaft dazu ein aktuelles Gutachten vor. Besonders betroffen sind demnach Haupt- und Realschulen. Schuld an dem Schulsterben sei der starke Geburtenrückgang.

Untersucht wurden Kommunen, die nur über eine Schule von jeweils einer Schulform verfügen. „Hier wäre eine Schulschließung besonders bedrohlich“, sagt Ernst Rösner, Schulentwicklungsforscher an der Uni Dortmund. Zudem seien es vergleichsweise kleine Einrichtungen, die bei sinkenden Schülerzahlen stärker gefährdet seien.

Das Ergebnis des Gutachtens: Von den 156 bedrohten Hauptschulen könnten in den nächsten acht Jahren 106 Einrichtungen nur dank neuer Ausnahmeregelungen geöffnet bleiben. 23 Schulen müssten geschlossen werden. Bei den Realschulen sehe es ähnlich aus: Hier erreiche jede zweite der 50 untersuchten Schulen die erforderlichen Schülerzahlen nicht. „Nimmt man die Großstädte hinzu, würde sich die Zahl der Schulschließungen verdreifachen“, so Rösner.

Besser sehe die Lage bei Gymnasien aus. Unter den 66 untersuchten Schulen gebe es nur sieben, die die Mindestgröße nicht erreichten. Der Grund: Immer mehr Eltern würden ihre Kinder an Gymnasien einschulen, da sie sich hier bessere Chancen für den Nachwuchs erhoffen.

Alle Schulformen dürften über 2014 hinaus mit weiteren Schließungen rechnen. Problematisch sei, dass besonders in den ländlichen Regionen wohnortnahe Bildungsangebote wegfielen. Die Folge seien nicht nur längere Schulwege oder fehlende Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft. „Eine Kommune ohne vollständiges Schulangebot wird außerdem keine Familien mit schulpflichtigen Kindern anziehen“, sagt VBE-Vorsitzender Udo Beckmann.

Die Landesregierung würde zwar die akute Gefährdung von Grundschulen sehen, die anderen Schulformen jedoch außer Acht lassen. „Wir wollen nicht tatenlos dabei zusehen, dass die Politik dieses Problem auf den Sankt Nimmerleinstag verschiebt“, so Beckmann. Die Ansätze von NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) – etwa die Einstellung zusätzlicher LehrerInnen oder die Ausweitung der Ganztagsangebote – seien zwar richtig. Für das dreigliedrige Schulsystem sieht die Gewerkschaft aber kaum noch Chancen. Besonders die Hauptschulen litten unter ihrem schlechten Ruf. Viele sicherten ihre Existenz nur durch eine große Zahl von Seiteneinsteigern, lebten also vom Schulversagen.

Als Alternative hat der VBE bereits im Mai diesen Jahres sein Modell der „Allgemeinen Sekundarschule“ vorgestellt. Hier sollen LehrerInnen verschiedener Schulformen für alle SchülerInnen von der 5. bis zur 10. Klasse verantwortlich sein. So könne kein Kind in eine andere Schule abgeschoben werden. „Der Unterschied zur Gesamtschule ist, dass es nicht zwingend eine Oberstufe gibt, die gefüllt werden muss“, so Beckmann.

Die CDU-Fraktion will aber das gegliederte Schulsystem erhalten. „Die Einheitsschule ist nicht die Antwort auf die Probleme der sinkenden Schülerzahlen“, sagt Bernhard Recker, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion. „Erhalt geht vor Neugründung von Schulen.“ Das derzeitige System solle verbessert und weiterentwickelt werden. Man könne etwa zwei getrennte Bildungsgänge unter einem Dach zusammenfassen – aber als eigenständige Schulform. GESA SCHÖLGENS