NSU-Prozess

Das Verfahren gegen Beate Zschäpe steht vor einer Wende. Bricht die Angeklagte mit ihrem neuen Verteidiger doch noch ihr Schweigen?

Prozess noch bis mindestens bis 2016
: Eine große
Puzzlearbeit

Seit zweieinhalb Jahren wird über die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) am Münchner Oberlandesgericht verhandelt – und immer noch ist kein Ende in Sicht. 216 Prozess­tage wurden bereits absolviert, mehr als 520 Zeugen angehört. Dennoch: Mit einem Urteil gegen die Hauptangeklagte und einzige NSU-Überlebende Beate Zschäpe wird frühstens im Frühsommer 2016 gerechnet.

Am Dienstag wäre in dem Prozess ein Thüringer Kriminalpolizist angehört worden – hätte Richter Manfred Götzl nicht dem Antrag des Neuverteidigers Ma­thias Grasel stattgegeben und den Prozess für eine Woche ausgesetzt. Der LKA-Mann sollte vortragen, welche Informationen er 1997 über die immer wieder straffälligen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sammelte, ein Jahr vor deren Untertauchen mit Beate Zschäpe.

Angehört werden sollte auch der Thüringer Tom T. In den neunziger Jahren war er zusammen mit dem späteren NSU-Mitgliedern und zwei weiteren in München Angeklagten, Holger G. und Ralf Wohlleben, Teil der rechtsextremen „Kameradschaft Jena“. Hätte T. über das Innenleben der Kameradschaft ausgepackt, es hätte ungemütlich werden können für die Angeklagten: Die Gruppe galt schon damals als besonders radikal, militant und gefährlich.

Nachdem alle Kernzeugen angehört wurden, sind es vor allem solche „Umfeldzeugen“, die jetzt noch in München befragt werden. Die früheren Wegbegleiter, teils heute noch Neonazis, präsentieren sich dabei ganz unterschiedlich. Einige mauern, mögen sich an nichts mehr erinnern. Andere dagegen haben Zschäpe und die vier anderen Angeklagten durchaus belastet.

So berichtete kürzlich Kay S., auch er einst Neonazi in Jena, dass er 1996 mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eine Puppe mit Judenstern von einer Brücke hing. Dass Letztere dabei war, war bisher nicht bekannt. Oder Aleksander H., ein einstiger Schuldfreund von Mundlos: Der beschrieb die Uwes als gewaltbereit, erzählte von deren nächtlichen Aktionen. Auch Zschäpe sei „nicht dumm“ und aggressiv gewesen. Wieder kein gutes Bild der Angeklagten.

Da diese schweigt, überprüft das Gericht mit solchen Zeugen­aussagen die Anklage Stück für Stück. Angehört werden auch noch Ermittler, die etwa Computerdateien des Trios auswerteten. Die Anklage wirft Zschäpe die Mittäterschaft an den 10 Morden, 3 Anschlägen und 15 Überfallen des NSU vor sowie versuchten Mord für die Inbrandsetzung der letzten Wohnung des Trios.

Offen ist, was Zschäpe unter Neuverteidiger Grasel macht. Sollte sie doch noch aussagen und etwa andere belasten, müssten Zeugen eventuell nochmals angehört werden. Dann würde ein Prozessende in noch weitere Ferne rücken. KO