„China profitiert von der Ukrainekrise“

RusslaNd-China China und Russland sind wirtschaftlich nicht gleichwertig, sagt der russische China-Experte Alexander Gubajew. Doch die Chinesen bemühten sich, Russland darin zu bestärken, dass es gleichrangig sei, während der Westen Russland belehre

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin Foto: Vasily Maximov/ap

Interview: Klaus-Helge Donath

taz: Herr Gabujew, sind Russland und China so eng miteinander verwoben, wie es der Kreml gerade vorgibt?

Alexander Gabujew: Das Verhältnis Moskau-Peking ist asymmetrisch. Nach der EU ist China Russlands größter Handelspartner, auch politisch läuft es so gut wie nie. Entscheidend aber ist: Das wirtschaftliche Entwicklungspotenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft. Für Russland zählt China zu den drei wichtigsten Partnern. In der Wahrnehmung unserer politischen Elite liegt China nach den USA an dritter Stelle. Umgekehrt ist Moskau für China nicht so bedeutend. Die USA, die EU, Japan, die Asean-Staaten und auch Indien haben Vorrang.

Wie beeinflusst der Krieg in der Ukraine das Verhältnis zu China?

China profitiert von der Ukrainekrise. Seine Interessen nahmen so gut wie keinen Schaden, während Russland und der Westen durch den Konflikt geschwächt wurden. China versteht aber, dass der Konflikt mit Russland Wa­shingtons Aufmerksamkeit nicht wirklich absorbiert. Doch lenkt er Obama vom Schwenk nach Asien ab. Das nutzt China im Südchinesischen Meer. Auch Moskau machte China Zugeständnisse, die vorher nicht denkbar waren.

Wie sollte Russland aus chinesischer Perspektive aussehen?

Anders gefragt, wie sollte es nicht aussehen? Russland darf auf keinen Fall ein demokratisches Land mit guten Beziehungen zu den USA, der EU und Japan werden. China würde einen Übertritt Russlands ins westliche Lager als „strategische Einkreisung“ begreifen. Daher zieht Peking ein autoritäres Russland vor, das eher ineffektiv ist, von seiner Rohstoffwirtschaft abhängig bleibt und antiwestliche Positionen vertritt. Gleichzeitig sollte Moskau aber über genügend Kraft verfügen, den Westen herauszufordern und seine Aufmerksamkeit zu binden. China möchte ein stabiles Russland, denn den Export von Instabilität fürchtet es mehr als alles andere.

Gegenüber dem Westen legt Russland großen Wert auf eine Behandlung auf Augenhöhe. Wie verhält es sich mit China?

China und Russland sind wirtschaftlich nicht gleichwertig. Die Chinesen bemühen sich aber, Russland darin zu bestärken, dass es gleichrangig ist. Dem Kreml begegnen die Chinesen mit Ehrerbietung und nicht mit einem belehrenden Tonfall wie der Westen.

Was denkt die chinesische Elite von Russland?

Am Donnerstag ist Russlands Präsident Wladimir Putin in der westrussischen Stadt Ufa, Hauptstadt von Baschkortostan, Gastgeber des Gipfels der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, und Südafrika). Direkt im Anschluss treffen sich am Freitag an gleicher Stelle die Staats- und Regierungschefs der Länder der Schanghai-Kooperationsorganistaion (SCO). Dieses Sicherheitsbündnis schließt neben Russland und China die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan ein. Jetzt sollen noch die verfeindeten Nachbarn Indien und Pakistan aufgenommen werden. Ein wichtiger Punkt bei beiden Treffen ist eine stärkere Zusammenarbeit Russlands und Chinas in Eurasien. (han)

China hat Grund, Russland mit einer gewissen Geringschätzung zu begegnen. Die UdSSR war eine Supermacht, als China noch bitterarm war. Dieser Bedeutungsverlust ist Schuld der russischen Elite. Unter jüngeren Vertretern von Chinas Elite überwiegt ein Gefühl der Missachtung, das sie aber nicht zeigen. Die älteren sind dankbar für frühere Unterstützung und bereit, Moskau zu helfen.

Versteht die russische Elite, was China vorhat?

Nein, sie hat eine ziemlich wirre Vorstellung von China. Das liegt an dem seit Jahren mangelnden Interesse an Asien und fehlender Expertise. In den achtziger Jahren besaß die UDSSR noch eine sehr kompetente China-Schule. Davon ist kaum etwas übrig. China baute seine Russlandstudien unterdessen massiv aus und kennt Russland besser als umgekehrt.

Setzt Moskau auf Chinas Unterstützung in der Konfrontation mit dem Westen?

Die politische Elite versteht, dass China vor allem eigene Interessen verfolgt, die sich mit denen des Westens nicht decken müssen. Die Reform des internationalen Finanzsystems ist ein Thema oder auch die Wertepolitik. Moskau versteht aber, dass sich China mit dem Westen nicht anlegt. Peking hat den größten Handel mit den USA, die Beziehungen sind sehr komplex.

Es jährt sich die Unterzeichnung eines auf Jahrzehnte angelegten Gas-Geschäfts zwischen beiden Ländern. Zehn Jahre wurde verhandelt, bevor sie sich 2014 einigen konnten.

Das ist ein seltener Fall, der beiden Seiten Vorteile bringt. Natürlich sind viele Details nicht bekannt. Auch der Ölpreis fiel noch. Die Amortisation der Pipeline dauert daher länger. Aber die Balance bleibt: China bekommt Gas aus einer neuen Pipeline. Russland erhält einen Preis, der nur gering unter dem liegt, den Deutschland etwa zahlt. Bislang fürchtet Russland noch, Chinas Rohstoffanhängsel zu werden. Das hat psychische Gründe, gegenüber Europa gibt es diese Bedenken nicht.

Alexander Gabujew

Foto: Carnegie

ist Sinologe und Russlands führender Chinaexperte. Zurzeit ist er bei der Carnegie Stiftung in Moskau für China und den Pazifischen Raum zuständig. Er ist Mitglied des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik Russlands.

Bremst die Korruption in Russland die Kooperation mit China?

Nein, China arbeitet mit korrupten Staaten zusammen. Korruption stört auch die Deutschen nicht, die in Russland gut verdienen.

Wie weit ist China bereit in Russland zu investieren?

Die Investitionen stiegen 2014 um das 2,5-fache auf acht Milliarden Dollar. Die stammen von Staatsfirmen. Privatinvestoren sind wegen der westlichen Sanktionen und der Kursschwankungen des Rubels vorsichtiger. Die Investitionen konzentrieren sich in Infrastruktur und Rohstoffgewinnung. Es steigt aber schon die Abhängigkeit von chinesischer Technologie in Russland.