B-Note
: Heute ein Sieger

Erziehung Deutschland nur Vierter, Enttäuschung allerorten. Aber einfach für den Sieger jubeln? Klar doch! Kinder machen‘s vor.

Heute früh klärte sich meine Wohnsituation. Denn die vier- und fünfjährigen Opportunisten in meiner Wohnung haben sich sofort zum WM-Siegerteam bekannt und behauptet, schon immer für die gewesen zu sein und werden diese bis auf Weiteres, also bis zur nächsten Niederlage, voller Inbrunst unterstützen.

So sind sie halt, die Menschen, nicht nur die kleinen, und deshalb hat der FC Bayern die meisten Fans im Land. Wahrscheinlich bald auch beim Frauenfußball, deutsche Meisterin ist München ja bereits.

„Ich war für – wie heißen die noch?“, erklärte jedenfalls der Sohn bereits im Halbfinale direkt nach dem Tor zum 2:0 für die USA. „Ich auch“, die Tochter, „Olé, olé, WIR haben gewonnen“, der Sohn – und damit war die wochenlang euphorisch bejubelte deutsche Frauenmannschaft binnen Minuten abgehakt und vergessen.

Das Gute an diesem WM-Verlauf: Nun ist die Gefahr gebannt, dass die Kinder nach den ersten Männer- und Frauen-WMs für den Rest ihres Lebens glauben könnten, Deutschland gewönne IMMER. Das Schlechte: die genderpolitischen Schlussfolgerungen aus dem WM-Vergleich. Denn plötzlich sind die deutschen Frauen wieder viel weniger wert als die Männer, denn die haben „den Pokal!“ – und nur auf den kommt es an.

Dafür war die Tochter (5) bereit, tief in der Nacht geweckt zu werden, aufzustehen und bis zur Cup-Übergabe wach zu bleiben (ob sie das geschafft hat, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest). Auch das Zuschauen war wegen der früheren Anstoßzeiten bei den Männern leichter – so wie das Panini-Sammeln und Bildertauschen, das durch den Poststreik stark behindert wurde.

Nur durch geduldiges Warten auf Briefe von Mädchen aus Österreich und konspirative Treffs mit Rentnern im U-Bahnhof Kochstraße („Du erkennst mich am roten Rucksack“) ist es uns gelungen, das Album zu füllen und den wichtigsten Sticker zu ergattern: den glitzernden Pokal!! Die wahren Sieger standen also schon lange vor dem Finale fest. Lukas Wallraff