Minister gegen Gaffer

SCHAU-LUST

Als der Innenminister hereinstürmte, saß Niedersachsens Landespressekonferenz gerade fünf Minuten zusammen. „Richtig auf Zinne“ sei er, verkündete Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch den JournalistInnen: „Dringend“ müsse Schaulustigen das Fotografieren und Filmen von Unfallopfern verboten werden, erklärte der 55-Jährige – ein „neuer Straftatbestand“ müsse her.

In Rage gebracht hatte den Minister ein Vorfall in Bremervörde. Am heißen Sonntagabend hatte eine 59-Jahrige Autofahrerin dort einen schrecklichen Unfall verursacht: Frontal und ungebremst rammte sie eine gut besuchte Eisdiele. Ein zweijähriger Junge und ein 65-jähriger Mann starben. Die Mutter des Jungen wurde schwer, der Vater leicht verletzt – und ein 25-Jähriger, der zufällig in der Nähe war, hatte nichts besseres zu tun, als das Leid der Opfer zu filmen. Noch vor Eintreffen des ersten Krankenwagens hielt er mit dem Handy drauf, ignorierte dann Absperrungen. Und erwies sich als unbelehrbar: Als Polizisten ihn aufforderten, Abstand zu halten, rief er seinen Bruder zu Hilfe. Es folgten ein Streit und eine Rangelei, zwei Beamte wurden leicht verletzt. Gegen die Brüder laufen Ermittlungen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Pistorius reicht das nicht: Nach der Sommerpause will er das Gafferproblem per Gesetz eindämmen. Denn immer wieder berichten Polizisten besonders nach schweren Verkehrsunfällen von Schaulustigen, die Rettungskräfte behindern und Menschenleben gefährden. In Nordrhein-Westfalen baut die Polizei seit dem Frühjahr Sichtblenden auf, um dem Voyeurismus beizukommen.

Beifall bekommt der Minister deshalb nicht nur von seinen Sozialdemokraten, sondern auch von der CDU – und den Grünen. Deren Chefin Meta Janssen-Kucz mahnt aber eine gründliche juristische Prüfung an: Schlimmstenfalls könnte so ein neues Gesetz ja auch eingesetzt werden, um das Filmen von Polizeieinsätzen an sich einzuschränken – und damit die Pressefreiheit. Pistorius beruhigt deshalb schon heute: JournalistInnen seien selbstverständlich keine Gaffer. WYP