Kultur, Kunst und Kompromiss

Historische Mitte Wiederaufbau oder Freifläche? Anwohner und interessierte Bürger diskutieren am Wochenende über Neugestaltung zwischen Fernsehturm und Spree

Ein Wunsch: Mehr Wasser für die historsche Mitte Foto: Björn Kietzmann

von Wiebke Nordenberg

„Alte Mitte – neue Liebe?“, unter diesem Motto haben am Samstag knapp hundert Interessierte in einer Bürgerwerkstatt ihre Ideen zur Neugestaltung der historischen Stadtmitte diskutiert. In einem breit angelegten Dialogverfahren, der sogenannten Stadtdebatte, sollen Vorschläge für die künftige Nutzung der Fläche zwischen Alexanderplatz, Schlossplatz und Nikolaiviertel erarbeitet werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hatte die Stadtdebatte im April eröffnet, am Samstag fand nun im Haus des Berliner Verlags am Alexanderplatz die dritte, für alle Interessierte offene, Veranstaltung statt.

Ihre eigenen „Nutzungsansprüche an die Berliner Mitte“ sollten die Teilnehmenden in Gruppen formulieren und vorstellen. Und das „frisch, frei und unabhängig von bestehenden Konzepten“, wie es in der Begrüßung des Instituts für partizipatives Gestalten (IPG) hieß, das im Auftrag des Senats das Dialogverfahren durchführt. Doch gleich zu Beginn drehten sich die meisten Redebeiträge um eingefahrene Konfliktlinien: Kompromissloser Wiederaufbau mit historischer Fassade oder Schaffung einer grünen Freifläche südlich des Fernsehturms?

Ort des Verweilens

Auftakt der Stadtdebatte war am 18. April 2015. Danach konnten sich Interessierte unter www.stadtdebatte.berlin.de an Online-Dialogen beteiligen.

Im Juni haben sich Fachexperten und Bürger in zwei Fachkolloquien Planungsgrundlagen und Rahmenbedingungen erarbeitet.

Die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt vom 4. Juli gehen in das Halbzeitforum am 5. September ein und werden von gewählten Dialogbotschaftern vertreten.

Im Oktober werden wieder die Online-Dialoge freigeschaltet. Die zweite Bürgerwerkstatt findet am 14. November statt.

Das Abschlussforum am 28. November beendet den Dialogprozess. Im Januar soll dann das Abgeordnetenhaus über die Neugestaltung der historischen Stadtmitte entscheiden.

Einigkeit herrschte in allen Diskussionsrunden darüber, dass die gegenwärtige Verkehrssituation, vor allem rund um die Spandauer Straße, verbessert werden müsse. Außerdem sprachen sich nahezu alle Beteiligten für eine Berücksichtigung der historischen Brüche Berlins aus. Sichtbare Spuren und Erinnerungsorte solle es geben, aber kein „riesiges Freiluftmuseum“ oder gar eine „Musealisierung der DDR Architektur“.

Die neue Mitte solle vielmehr ein Ort des Verweilens, der Kommunikation und der kulturellen Vielfalt werden – inklusive Straßenkunst, wie einige forderten. Mehr Grün, mehr Wasser, weniger Verkehr, so der Tenor.

Eine Mehrheit der Anwesenden sprach sich gegen einen langfristig angelegten Prozess aus, stattdessen solle möglichst schnell eine Entscheidung getroffen werden. Diesem Wunsch kommt das Verfahren bereits mehr oder weniger nach. Ende November soll die Stadtdebatte abgeschlossen sein und im Januar schließlich das Berliner Abgeordnetenhaus über die Neugestaltung der Mitte entscheiden.

Geringe Erwartungen an die Bürgerwerkstatt und den Dialog zeigte dabei Maarten Kelpin, Student aus Berlin: „Ich sehe die Stadtdebatte als Rechtfertigungsversuch bereits vorhandener Konzepte. Im Prinzip soll hier nur dem Bedürfnis nach mehr Bürgerbeteiligung entsprochen werden“. Stephan Arden, Architekt aus Schöneberg, sah das durchaus anders. „Ich bin mit dem Ablauf der Bürgerwerkstatt zufrieden und halte es dem Verfahren zu Gute, dass es, anders als bei der Debatte um das Tempelhofer Feld, eine differenziertere Betrachtung zulässt.“ So könnten verschiedene Ideen einfließen, und es ginge nicht nur um ein Ja oder Nein zur Bebauung der Mitte.

Einigkeit herrschtein allen Diskussionsrunden, dass die gegenwärtige Verkehrssituation verbessert werden müsse

Kompromissbereitschaft

Am Ende des Tages lobte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher die Kompromissbereitschaft der Teilnehmenden. Bebauungsgegner und -befürworter hätten sich auf ein „Gemeinschaftsergebnis“ geeinigt: Freiflächen rund um den Fernsehturm und gleichzeitig eine Teilbebauung am Rande des Turms. Ginge es nach einigen Teilnehmern der Bürgerwerkstatt vom Samstag, könnte dann bald ein Amphitheater den Alexanderplatz zieren.