Wahlmanipulationen in Aserbaidschan

Die Partei von Präsident Alijew sichert sich mit fragwürdigen Methoden die absolute Mehrheit. Internationale Beobachter stellen zahlreiche Verstöße fest. Das abgeschlagene Oppositionsbündnis Asadlik ruft zu friedlichen Protesten auf

AUS BAKU KLAUS-HELGE DONATH

Bei den Parlamentswahlen in Aserbaidschan hat nach offiziellen Angaben die regierende Partei Neues Aserbaidschan 64 der 125 Parlamentssitze errungen. 40 Mandate gingen an unabhängige Kandidaten. Auf die Opposition entfallen voraussichtlich 21 Sitze. Gleichwohl erhielt von den führenden Politikern des größten Oppositionsblockes Asadlik kein Kandidat ein Mandat.

Einen überwältigenden Sieg mit 92 Prozent der Stimmen trug Mechriban Alijewa davon, die Ehefrau des Präsidenten Icham Alijew. Auch einem weiteren engen Verwandten Alijews gelang der Sprung ins Parlament dieses europäischen Sultanats.

Beobachter registrierten bei der Wahl am Sonntag insgesamt 21.100 Verstöße gegen das Wahlreglement. Für die Opposition hatten 20.000 Beobachter an der Wahlbeobachtung teilgenommen. Als häufigste Störungen nannten sie direkte Eingriffe von Mitarbeitern der lokalen Verwaltungen in das Wahlprozedere. Bei über 1.700 Wählern waren die Finger nicht mit Tinte markiert worden, was mehrfache Stimmabgaben ermöglichte.

In einem Wahlkreis in der Hauptstadt Baku kam es zu tumultuarischen Szenen. Als sich dort der Sieg des Oppositionskandidaten Kerimli abzeichnete, rissen Vertreter der Behörden die Stimmzettel an sich und liefen davon, berichteten Beobachter der Opposition. Sie wurden darauf von Polizeikräften aus dem Lokal gedrängt. In der Schule 104 entdeckten Journalisten 100 entsorgte Stimmzettel zugunsten Kerimlis.

Auch die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellten fest, dass die Wahlkommissionen sich nicht an das Wahlreglement hielten und sich in sehr vielen Fällen weigerten, Protokolle in deren Anwesenheit zu unterschreiben. Die Beobachter der OSZE, der Europäischen Versammlungen und des Europäischen Parlaments bewerteten die Stimmauszählung als schlecht oder sehr schlecht in 43 Prozent der von ihnen überwachten Fälle. Es gebe einen „großen Mangel an Vertrauen gegenüber den bekannt gegebenen Ergebnissen“. Die Auflistungen der Ergebnisse auf Wahlkreisebene seien zu 31 Prozent „schlecht oder sehr schlecht“ gewesen.

Der OSZE-Botschafter der Beobachtermission, Gert-Hinrich Ahrens, meinte, er hätte sehr auf eine bessere Wahl gehofft und einen zufriedenstellenderen Bericht der Delegation. „Leider haben die Ergebnisse unseres Monitorings dies unmöglich gemacht.“ Auch Alcee Hastings, Präsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, äußerte sich kritisch: „Es schmerzt mich zu sehen, das Fortschritte in der Vorwahlzeit durch bedeutende Mängel bei der Stimmenzählung zunichte gemacht wurden.“

Die Kritik der internationalen Beobachter fiel im Vergleich zu früheren, ebenfalls manipulierten Wahlen schärfer aus. Allerdings wollten sich die internationalen Vertreter nicht dazu äußern, ob die Verstöße gegen europäische Standards, die zu übernehmen Baku sich verpflichtet hatte, Konsequenzen für Aserbaidschan in den europäischen Institutionen haben könnte.

Die Opposition kündigte für heute eine Großdemonstration an, die bereits verboten wurde. Trotz des Verbots will die Opposition am friedlichen Protest festhalten und die Wahlergebnisse vor Gericht anfechten.

Die Regimegegner sind seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen 2003 stark verunsichert, da sie sich der Unterstützung aus dem Westen nicht sicher sein können. Daher rührt auch ihre Zurückhaltung. Im Umgang mit dem Ölstaat Aserbaidschan nimmt der Westen weitaus mehr Rücksichten als gegenüber anderen GUS-Staaten.