Die Hamburger Harley Days haben eine gewisse Faszination. Muss die Stadt sie vielleicht aushalten?
: Von Harleymännern und Harleyfrauen

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und Befremdlich

Katrin Seddig

Am Wochenende waren die Harley Days in Hamburg und zufällig war ich am Wochenende auf St. Pauli und zufällig war ich auch noch in Eilbek und in Wandsbek und eigentlich überall waren Harleys. Natürlich waren die meisten Harleys auf St. Pauli. Da saßen auch die Männer mit den dicken Armen und den dicken Bäuchen herum, die ganz viele Tattoos auf ihren dicken Armen und dicken Bäuchen hatten, die ganz gut gebräunte Frauen mit sich führten, die im Gegensatz zu den Harleymännern ganz, ganz schlank waren und aber auch Tattoos auf ihren schlanken Körpern drauf hatten.

Es ist nämlich ein Gesetz, dass ein dickbäuchiger Biker niemals eine dickbäuchige Bikerin haben darf, sondern nur eine gertenschlanke. Vielleicht irre ich mich auch und habe nur die Kombination gertenschlanker Biker und dickbäuchige B ikerin zufällig noch nicht gesehen. Jedenfalls ist es so, dass eine Menge Leute sich über die Harley Days freuen und am Rande der Reeperbahn stehen und winken, wenn die Harleys da lang fahren.

Da ich da zufällig auch war, habe ich auch ein bisschen die Harleys angesehen und die Harleymänner und die Harleyfrauen, denn es gibt auch Frauen, die ganz alleine auf einer Harley draufsitzen und die sind dann auch ganz normal gebaut, weil es ja ihre Harley ist, auf der sie draufsitzen und nicht die, die dem Mann gehört, dem auch die Frau gehört, wo alles gleich windschnittig sein muss, außer dem Mann.

Ich muss gestehen, so eine Parade ist unterhaltsam und wenn sie auch unerträglich laut ist, so ist das Laute doch, finde ich, so insgesamt und als Ereignis irgendwie auszuhalten und ich gestehe, ich habe dazu gelächelt.

Vielleicht auch noch aus anderen Gründen. Vielleicht auch, weil ich die Parade der Harleys nur fünf Minuten genossen habe und nicht eine Stunde oder länger.

Vielleicht auch, weil ich da nicht wohne und da weggehen kann, wenn mich das aufregt. Die Harleys im Einzelnen und in meinem Wohnviertel allerdings, die regen mich auf. Die sind zu schnell und sind zu teuer, die fahren zwischen den Rotklinkerblocks aus den Fünfzigerjahren herum und sind so teuer wie ein ganzer Rotklinkerblock.

Die Harleys im Einzelnen sind eine Frechheit. Die brüllen mich an, die brüllen nachts durch die Stadt und wecken die Schlafenden, die tun in den Ohren weh und machen Lärmangst, die sollen auch weh tun und Angst machen, die schreien die ganze Zeit um Aufmerksamkeit, die sind das Gegenteil von bescheiden, die sagen „Geld“ und „stark“ und „ich“. Die rülpsen die ganze Zeit nur „ich“ .

Das ist unerträglich unbescheiden, rücksichtslos und dabei so einfach. Es braucht ja einer nur Geld, um eine Harley zu kaufen und einen Führerschein und dann fährt er halt los.

Zurückgelehnt, mit breiten Beinen. Und trotzdem, und trotzdem, ich muss es gestehen, ist da was bei, bei diesem Zirkus.

Ist da was bei, bei den halbnackten, solariumsgebräunten, tätowierten Lederwesten. Was Komisches. Was Jahrmarktmäßiges.

Die Kostümierung, das Theater, das Gepose und das Sichselbstfeiern. Das hat auch eine gewisse Faszination, vielleicht sollte die Stadt das eben doch aushalten, vielleicht ist das nicht schlimmer, als ein Schlagermove, vielleicht ist das gleich schlimm wie ein Schlagermove, den man am liebsten auch nicht hätte.

Weil der geschmacklos ist und laut und nervt. Weil den Leute feiern, die man nicht mag. Da gibt es Parallelen. Und den Hafengeburtstag, den mag man auch nicht. Und die Leute, die da hingehen, die auch nicht.

Aber eine Menge Leute gehen da hin. Und eine Menge Leute finden Harleys toll. Und eine Menge sahen sich den Korso an und fanden es ganz großartig.

Soll man sie halt lassen? Soll ich toleranter sein? Soll ich manchmal lächeln und obwohl es mir eigentlich nicht gefällt? Soll ich einfach?

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.