Weiter völlig losgelöst im Westen der Stadt

ICC Senat beschließt, den Bau vom Asbest zu befreien und wieder für Kongresse herzurichten. Die Sanierung soll aber erst 2018 starten und bis 2022 dauern. Grüne sprechen von Mogelpackung

Im vollen Glanze des Lichtes: das ICC im Westend Foto: Georg Knoll/laif

von Stefan Alberti

Es ist viel von „sollen“ und „könnten“ die Rede, auch der Begriff „spekulativ“ fällt. Und doch ist sich Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sicher, dass der Senat an diesem letzten Dienstag im Juni 2015 Historisches leistet. Denn der hat sich festgelegt, das seit über einem Jahr geschlossene Internationale Congress Centrum (ICC) ab 2018 wieder kongressfähig zu machen. „Die heutige Entscheidung ist ein Meilenstein“, sagt Geisel nach der Senatssitzung vor Journalisten. 200 Millionen Euro soll das Land in das Gebäude stecken und dabei vor allem die Asbestbelastung beseitigen, 300 Millionen zum weiteren Umbau sollen von privaten Geldgebern kommen. Konkrete Zusagen liegen jedoch noch nicht vor.

Es sind gleich zwei Senatsmitglieder, die diese Entscheidung vorstellen, neben Geisel auch Wirtschafts-Ressortchefin Cornelia Yzer (CDU). Die erinnert an eine mehr als zehnjährige Diskussion über die Zukunft des Gebäudes. 38 Gutachten seien in der Zwischenzeit entstanden, ungezählte Male habe sich der Senat mit dem ICC befasst. Von Abriss war die Rede, vom neuem Standort der Zentral- und Landesbibliothek, von einem Einkaufszentrum.

Eine Mischnutzung

Das Internationale Congress Centrum, kurz ICC, entstand binnen vier Jahren Bauzeit, wurde im April 1979 fertig und zu einem der weltweit größten Kongresshäuser. Es kostete umgerechnet 500 Millionen Euro.

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) geht davon aus, dass das Landesdenkmalamt den Bau zum Denkmal erklärt, unter anderem als Zeugnis „für einen technikaffinen Baustil der 70er Jahre“. Das sei keine politische, sondern eine fachliche Entscheidung. Eine solche Einstufung soll aber den vom Senat beschlossenen Umbau und die Sanierung nicht behindern: „Dass das ICC Denkmal wird, ist für mich kein Stoppschild für moderne Nutzung und private Investoren.“ (sta)

Nun soll es eine Mischnutzung mit Schwerpunkt Kongress geben. 10.000 Quadratmeter sollen wieder Kongressfläche sein, 30.000 anderweitig genutzt werden, unter anderem als Hotel. Laut Yzer gibt es seit Jahren daran Interesse. Bei den Journalisten rufen diese Zahlen Überraschung hervor, weil das Gebäude, das insgesamt über 250.000 Quadratmeter Fläche hat, dann auch nach einem Umbau nicht stärker genutzt wäre als früher. Das Missverhältnis zwischen Gesamt- und Nutzfläche aber galt seit jeher als Grund dafür, warum das ICC ein Zuschussgeschäft blieb. Auch weil die Technik zentral gesteuert war: „Wenn Sie das Licht einschalten, müssen Sie es im ganzen ICC einschalten“, berichtet Geisel.

Der lehnt es grundsätzlich ab, als Alternative das ICC komplett aufzugeben. Man habe als Eigentümer Verantwortung für das Gebäude, man könne das ICC nicht einfach abschließen und den Schlüssel wegwerfen. Das begründet er unter anderem damit, dass in Berlin trotz neuer privater Angebote Kongressflächen® für Veranstaltungen mit über 5.000 Personen fehlen würde.

Diese Lücke wäre aber frühestens 2022 gefüllt, denn Sanierung und Umbau würden erst 2018 starten. Vorangehen sollen ein „Bedarfsprogramm“ bis Sommer 2016 und eine solide Bauplanung bis Ende 2017. „Man muss auch mal aus Erfahrung klug werden“, sagt Geisel. Nur seriöse und ruhige Planung gewährleistet für ihn, dass die Kosten beim ICC nicht wie bei anderen Großprojekten aus dem Ruder laufen. Die Grünen werden wenig später von einer „Mogelpackung“ sprechen.

Optimismus angesagt

„Wenn Sie das Licht einschalten, müssen Sie es im ganzen ICC einschalten“

Bausenator Andreas Geisel zu den Tücken des ICC

Der Senator müht sich, Optimismus zu verbreiten, nicht nur mit seinem Bild vom „Meilenstein“ – und wirkt doch so wie der Mann mit dem alleinigen Auftrag, das Thema ohne weitere Negativ-Nachricht über den Wahltermin im Herbst 2016 zu retten. „Wir gehen davon aus, dass diese Mittel gut reichen werden“, sagt er etwa zu den geplanten 200 Millionen Euro. Dabei entsprechen die genau der Summe, auf die sich die rot-schwarze Koalition schon 2012 als eher politische denn bautechnisch durchgerechnete Höchstgrenze einigte.

Angesichts der Skepsis, ob sich das Gebäude tatsächlich so aufteilen und „modular“ entwickeln lässt, wie der Senat sich das vorstellt, wird Geisel visionär: „Die Menschheit ist auch in der Lage, zum Mond zu fliegen.“ Was ja irgendwie passt bei einem Bau, der an ein Raumschiff erinnert.